Vom 14. bis zum 16. April war die diesjährige re:publica. Am Donnerstag Abend hatten wir im kleinen Saal unser Slowmedia-Panel, das so schön und auch so kontrovers war, dass wir es um fast eine Stunde überzogen haben. Das war wirklich sehr nett, und von oben aus sah es so aus:
Unsere Podiumsdiskussion ging gleich zügig los, Dank unserer großartigen Moderatorin Tina Pickhardt (Twitterern auch als @PickiHH bekannt). Ein Auftakt, um von unserer Seite die Diskussion anzuschieben war also gar nicht nötig. Das ist schön, weil es für gute Gespräche sowieso keine Skripte gibt.
Wer am Donnerstag dabei war, dem wird vielleicht aufgefallen sein, dass wir einen Rotwein mit auf dem Podium hatten. Nein, wir wollten uns damit nicht als rotweinschlürfende Bohemiens inszenieren (well, at least not only) – wir hatten in der Tat zwei rechtschaffene Gründe für diesen Wein:
Zum einen schließen wir uns damit Tyler Brûlés unwiderlegbarer Aussage zu social media an:
There is a kind of social media that really works for business and play. It’s called having a glass of wine.
Zum anderen hatte der Wein einen passenden Namen: Télégramme.
Das Telegramm ist interessant, weil es ein klassisches von der Zeit überholtes Medium ist. Eigentlich.
Wir erinnern uns: Ein Telegramm – “+ + ankomme ++ stop ++ freitag, den 13. ++ stop ++” – schickte man früher, wenn es ganz schnell gehen musste und keine Zeit war, auf den Briefweg zu warten. Das Telegramm war das schnellste aller Medien. Nun gibt es heute hinreichend andere Arten, den Brief zu überholen. Welche Rolle sollte also dieses Medium heute spielen, wo die Informationsübermittlung in Echtzeit jedem von fast überall und fast kostenfrei gelingt? Gibt es überhaupt noch Telegramme?
Ja, es gibt das Telegramm noch. Ich entdeckte es neulich im offziellen Produktangebot der Deutschen Post. Dort heißt es:
Überraschen Sie Menschen zu den unterschiedlichsten Anlässen mit etwas Besonderem: Ein Telegramm drückt Ihre Wünsche und Grüße nicht nur auf besondere Weise aus, es wird auch persönlich überbracht.
Sieh an, dachte ich. Da ist das Telegramm ja wieder. Ich weiß nicht, ob das funktioniert oder ob das heutige Telegramm bei der Post ein Ladenhüter ist. Ich finde aber interessant, was da passiert: Das Medieninstrument selbst bleibt ja gleich, aber die Perspektive, aus der wir draufschauen, ist eine andere. Das Telegramm ist vom schnellsten Medium zum persönlichsten Medium geworden (wenn wir mal von dem gemeinsamen Glas Wein absehen). Der ursprüngliche Produktvorteil der Schnelligkeit ist von der technischen Entwicklung überholt worden. Die Eigenschaft jedoch, die früher völlig selbstverständlich und nichts Besonderes war – es wird persönlich überbracht – ist jetzt zum Unterscheidungsmerkmal geworden: Ein Vorteil in einer Gesellschaft, die zwar viel schneller aber auch unpersönlicher geworden ist.
Was wir daraus lernen, ist etwas Schönes: Man kann auch etwas Neues schaffen, indem man neu auf alte Dinge schaut.