A […] central concept of the theory of communication
and control is that of feedback.
Ludwig von Bertalanffy, 1955
Auch am Sonntag hängt alles von allem ab. Zumindest ein bisschen. Der Spiegel schreibt über die Datensammelwut der Social Networks und trifft damit ganz genau den Punkt, an dem man bei der digitalen Avantgarde den “Internetausdrucker”-Reflex auslöst. Man muss nur die richtigen Begriffe verwenden und schon läuft die große Feedbackschleife an und produziert aufgeregte, schrille Blogantworten wie zum Beispiel den Beitrag von Richard Gutjahr. Das wiederum wird, so könnte man mit Bertalanffy sagen (ich hätte auch Wiener oder so zitieren können, aber der Ludwig lag gerade auf dem Tisch), entweder dafür verwendet, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen oder einen Zustand zu stabilisieren (zum Beispiel das Geschäftsmodell eines Zeitschriftenverlags). Ein zuverlässig schnurrender Mechanismus wie aus dem Lehrbuch Intelligent Design für Fortgeschrittene.
Nachdem ich noch einen Holzscheit in den Kamin geworfen habe, kann ich mich langsam wieder dem Tee und meiner Quarktasche – von meinem Lieblingsbäcker im Nachbarort aus dioxinfreien Eiern gebacken – zuwenden. Auf dem Tisch liegt nicht mehr der Bertalanffy, sondern “Johann Sebastian Bach” von Albert Schweitzer. Er hat in Bach weniger den kühlen, rationalen Musik-Mathematiker gesehen als vielmehr jemanden, der mit Tönen einen ganz typischen, oft leidenschaftlichen Moment auf die Leinwand malt. Jemanden, der auch bei den gruseligsten Libretti nicht mit der Wimper zuckt, sondern auch ihren Gemeinplätzen noch etwas abgewinnen kann und “führt es aus, ohne sich immer darum zu kümmern, ob er damit wirklich den Gefühlsinhalt der Dichtung wiedergibt oder nicht”, wie Schweitzer schreibt.
Ich erinnere mich plötzlich über ein noch unfertiges Vortragsmanuskript über die “Parallelen in der Sprach- respektive Tonkunst von Dr. Erika Fuchs und Johann Sebastian Bach”, das da noch irgendwo im Waschtisch liegen muss. Ach ja, das Buch von Albert Schweitzer. Niemand weiß, wann, wo und für wie viel Geld ich es gekauft habe. Ich habe es vor Jahren einmal in einem Schwabinger Antiquariat für ein paar Münzen mitgenommen. Google oder Facebook haben das damals nicht mitbekommen. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass die US-Regierung wegen ein paar Erwähnungen des Begriffs Wikileaks den Verlag VEB Breitkopf & Härtel in Leipzig anruft und zur Herausgabe meiner Nutzungs- und Profildaten zwingt, halte ich für äußerst unwahrscheinlich. Unverlangte Werbung des Verlages habe auch noch nicht bekommen.