Sieben Jahre sind vergangen, seit wir drei Slow-Media-Autoren unseren Unmut über die Medien in das Slow Media Manifest gegossen haben. “Slow” wie in “Slow Food”.
Irgendwann Anfang der 1970er Jahre – ich war noch ein wirklich sehr kleines Kind – fuhren meine Eltern mit mir in die Stadt, um mit mir ein besonderes Ereignis zu feiern: Die Eröffnung des McDonald’s Restaurant am Stachus. Wenn ich mich heute an meine Kindheit zurückerinnere, ist mir vollkommen klar, was meine Eltern Besonderes an Fastfood gefunden hatten. Die “Deutsche Küche” war grauenvoll. Angewärmte Fleischbrocken und stärkereiche Sättigungsbeilagen, saurer Filterkaffee, Tee im Glas aus lauwarmem Wasser mit einem aromafreien Beutel daneben, Wasser gab es zum Essen nur in 0,2l und extrem teuer; aber das schlimmste war der ‘kleine Salat’ – welke Kopfsalatblätter bedeckten Batzen von Sellerie und Karottenjulienne aus der Konserve, alles schwimmend in einer süßlichen Emulsion aus Essigessenz und Sonnenblumenöl.
Fastfood versprach die Befreiung. Während die amerikanische Kultur den deutschtümelnden Mief der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Pop und TV aus den Wohnzimmern blies, würde Fastfood mit seinem industriellen Kosmopolitismus das Grauen der Deutschen Küche vertreiben, das war wohl die Hoffnung meiner Eltern.
Der Preis der gastronomischen Revolution sollte allerdings sehr teuer werden: Von massenweiser Fehlernährung über den himmelstürmenden Müllberg, bis zur Entwaldung der Tropen – die Folgen der industrialisierten Küche sind durchaus mit den Folgen des Fordismus in anderen Bereichen der Ökonomie und Kultur vergleichbar. Fast Food war nicht das Ende der kulinarischen Geschichte. Spätestens um 1980 war es Zeit geworden, sich über einen Neuanfang echter Kochkunst zu kümmern.
Slow Food und Neue Küche konnten sich endlich entwickeln, weil Fastfood den Raum dafür geschaffen hatte. Der Anlass zur Gründung von Slow Food ist schließlich eine direkte Reaktion auf Fastfood: Der Protest gegen Eröffnung des ersten McDonald’s in Rom 1986.
Slow Food ist kein reaktionärer Rückfall in die Zeit vor dem Fastfood – Slow Food bedeutet, die wertvollen Aspekte der Essenskultur freizulegen, die bereits vor Ankunft des Fastfood in der verkommenen Alltagsküche unter minderwertigem Fraß verschüttet waren. Nouvelle Cuisine und andere neue Formen des Kochens entwickeln handwerkliche Kochkunst zeitgemäß weiter.
Malbouffe, “Schlechtessen” oder Junk Food hatte José Bové das Fastfood genannt. Der französische Agrarrevolutionär wurde weltbekannt, als er 1999 im Rahmen einer Protestaktion eine McDonalds Filiale in Südfrankreich zerstörte. Le Monde n’est pas une marchandise – “Die Welt ist keine Ware” ist der Titel von Bovés bekanntestem Buch. So wie Slow Food gegen die industrielle Zerstörung guten Essens steht, kritisieren wir in Slow Media nicht zuletzt den Warencharakter in Medien und Kultur (zum Beispiel hier: [1] oder hier [2]).
Die Zeitungslandschaft meiner Jugend habe ich ähnlich erlebt, wie den widerlichen Fraß, der damals in Restaurants serviert wurde. Den Medienmüll der klassischen Publizisten haben wir in diesem Blog bereits hinlänglich bearbeitet (zum Beispiel hier: “Den Schrott gibt es im Internet?”, “Schrott Nachtrag” oder hier: “Das letzte Aufgebot”). Die Mischung aus Nachlässigkeit, Geldgier und Arroganz der selbsternannten “vierten Gewalt” aber bereitete den Boden für Google, Twitter und Facebook.
Google, Twitter und Facebook haben uns geholfen, die alten Medien zu überwinden, so wie Fastfood uns den Ausweg aus der schlechten Nachkriegsküche ermöglicht hat. Google, Twitter und Facebook sind wie Fastfood, im Guten wie im Schlechten. Nach erstem Augenschein sind sie so viel sauberer, moderner, weniger prätentiös, als die klassischen Medien.
Doch auch die Probleme sind mit Fastfood zu vergleichen. Das Medienfastfood ist bedingungslos optimiert, maximal effizient, maximal profitabel. Es lässt wenig Raum für Qualität, da die Algorithmen jede Abweichung von ihren Regeln gnadenlos bestrafen, mit der schlimmsten Strafe, die es für Medien gibt: dem Entzug von Aufmerksamkeit. Nur was dem Profit der Fastfoodmedien dient, schafft es in die Suchergebnisse, nur was die Algorithmen nach ihren Kriterien als relevant erachten, wird in unserer Timeline dargestellt. Websites, die Google nicht in den Suchergebnissen zeigt, existieren de facto nicht.
“Fake News” – Empörung herrscht allerorten über das “postfaktische Zeitalter”. Selbstverständlich gab es gezielte Falschmeldungen schon immer – Desinformation und manipulative Berichterstattung waren allerdings bis jetzt das Privileg von Journalisten und ihren Verlegern. Die stupiden Algorithmen der Fastfoodmedien ermöglichen es heute, Fake News sehr viel gezielter, von außen an ein Massenpublikum zu senden. Spätestens seit Brexit und der US Wahl 2016 sollte klar sein, dass Medienfastfood den Geist genauso fett und faul macht, wie die Malbouffe von McDonald’s.
“Medien sollten klarer und transparenter sein und nicht, entschuldigen Sie den Ausdruck, in eine Koprophilie verfallen, die stets bereit ist, Skandale und widerliche Dinge zu verbreiten, so wahr sie auch sein mögen” Papst Franziskus
2017 wird das Jahr der Slow Media, davon bin ich überzeugt. Die Zeit ist reif für wirklich neue Medien, die mehr bieten, als Fastfood, als Hetze, Rassismus und Hass.
Anders als die Fastfoodmedien der letzten zehn Jahre werden Slow Media ein inhaltliches Konzept tragen und sich nicht lediglich als technologische Plattform definieren, unter Ableugnung jeder politischer und sozialer Verantwortung. Aber sie werden eine sozial gestützte Kultur vertreten, die auch Technologie positiv einbezieht, statt sie zu verdammen und zu bekämpfen.
Wir werden 2017 neue Medienangebote erleben, die nicht dem technokratischen Solutionism aus Silicon Valley folgen. Sie werden dezentral, verteilt und autonom arbeiten, keine Winner-takes-it-all Wette auf das Unicorn.
Die neuen Medienangebote werden allerdings – wie ihre Vorgänger – die Frage nach dem Markt beantworten müssen. Ob Werbung weiterhin nahezu ausschließlich die Geldquelle für relevante Publikationen bieten sollte, so wie es bisher selbstverständlich war, halte ich für fragwürdig. Renditeerwartung der Shareholder, die die Jagd auf Werbegeld anheizt, das nur kommt, wenn massenweise und verlässlich Menschen erreicht werden, ist die treibende Kraft hinter den Algorithmen, denen wir die Überschwemmung mit Fake News verdanken. Werbung ist das einzige Geschäftsmodell der Fastfoodmedien. Aber die Welt ist keine Ware – José Bovés Motto des “besseren Essen” können wir eins zu eins auf Kultur übertragen – und auf Medien.
Was ich mir in der nächsten Mediengeneration am meisten erhoffe, ist Vielfalt und Alternative, die Stimme der Marginalisierten zu hören, statt wie heute bei jeder Abweichung vom Mainstream vom Shitstorm niedergebrüllt zu werden.
Vielfalt bedeutet vermutlich auch die Abkehr von den dominierenden Paradigmen der Netzwerk-Ökonomie. Medien werden sich nur dann wirklich neu erfinden können, wenn das Dogma ‘Alles muss im Netz gedacht werden’ sinnvoll gebrochen und kritisch überwunden wird. Der Künstler und Medientheoretiker Zach Blas hat dazu den bemerkenswerten Text “Contra Internet” geschrieben. Darin beschreibt er die zukünftigen Medien als Paranodes, Nervenzellen, die außerhalb des Netzes liegen, quasi in den Zwischenräumen. Ob und wie es uns gelingt, aus dem Gedankengefängnis der Netzwerk-Metaphorik zu entkommen finde ich eine der interessantesten Fragen.
2017 wird das Jahr der Slow Media, das ist jedenfalls meine Prognose. Wie so oft wird es auf den ersten Blick vielleicht keine totale Revolution sein, was wir in neuen Medienangeboten erblicken. Wir werden also genau hinsehen müssen, gerade auch jenseits der Orte, an denen klischeehaft Medieninnovation stattzufinden hat.
Wir freuen uns auf die nächste Generation der Medien. Und wir sind gespannt, über was wir hier darüber erzählen können!
Ein erster, persönlicher Bericht vom Piemonter Share Art Festival in Turin
“Let us invite you to bring the family, the grandparents and the children, and sit on our open-source furniture, relax, even eat something. Fill a wine glass with tomorrow.”
Bruce Sterling
Ein Jahr ist es her, dass ich nach Turin gereist bin, um der Eröffung der ‘Casa Jasmina’ beizuwohnen, einem Musterhaus für digitale Open Source Haushaltstechnologie. Durch Bemerkungen bei Vorträgen hatte ich von Bruce Sterling, dem Initiator des Projektes davon erfahren. Wie viele ‘Cyber-Kinder’ war ich Bruce und seinen Gedanken über dreißig Jahre lang mehr oder weniger lose gefolgt. Auch wenn ich immer wieder einige seiner Ideen inspirierend fand, sie in meine Vorträge oder Blogposts eingebaut habe, war es erst sein Buch “Shaping Things“, mit dem ich wirklich etwas für meine Arbeit anfangen konnte. Shaping Things ist ein schmales Bändchen, eher ein Essay. Es war, soweit ich weiß, die erste umfassende Betrachtung, was wirklich passieren würde, wenn die Digitalisierung sich aus der Gefangenschaft des Web befreien und die Welt der physischen Dinge erobern würde, um daraus das ‘Internet of Things’ entstehen zu lassen. Aber vor allem sprach er davon, wie Dinge dann beschaffen sein müssten, um “freundlich” zu bleiben, gutmütig, trotz des totalitären Wesens gobaler Vernetzung und lebensumfassender Datenerhebung.
In Form der Casa Jasmina hatte Bruce angekündigt, gemeinsam mit Jasmina Tešanović, der Namensgeberin der Casa, seine Designtheorie in die Praxis eines wirklich bewohnbaren Hauses zu übersetzen. Es ist eine Sache, über Dinge zu schrewiben, eine ganz andere aber, etwas derartiges in der körperlichen Welt zu bauen, mit allen Einschränkungen, die die Conditio Humana einem dabei auferlegt. Es ist also wenig überraschend, wenn die ‘Casa’, die ich an ihrem Eröffnungstag vorfand eher ein Resonanzraum für unsere Visionen und Erwartungen war, als ein tatsächliches Heim.
Heute, ein Jahr später, hat sich die Casa Jasmina zum offiziellen Veranstaltungsort des Piemonte Share Art Festival entfaltet. Luca Barbeni, der das Share.to seit seinem Start 2006 kuratiert hatte, war nach Berlin ausgewandert, um dort seine NOME Gallery zu gründen, und Bruce Sterling war an seine Stelle als künstlerischer Leiter getreten, um das Festival in Turin gemeinsam mit dessen Co-Gründerin Chiara Garibaldi zu leiten. Dabei sollten sie illustre Unterstützung erhalten, wie etwa von Paola Antonelli, Kuratorin am New Yorker MoMA oder Astronauten-Star Samantha Cristoforetti. Und passend zum Ort legte Bruce fokussierte Bruce die Ausstellung auf “Kunst und Technologie für zu hause”.
Die ‘Casa’ und ihre Bewohner sind ausgesprochen gastfreundlich, und das Willkommen, das wir dieses Mal erleben durften, stand vergangenen Besuchen in nichts nach. Moderne Kunst hatte von Anfang an mit dem Häuslichen zu kämpfen – die meisten zeitgenössischen Kunstwerke sind schlichtweg ungeeignet für normale häusliche Verhältnisse. Diese Eigenschaft hat die Kunst mit Digitaltechnik gemein. Obwohl die meisten Leute “Computer”, ehedem PCs, heute Smartphones und Tablets auch zu hause nutzen, sind diese Geräte nie zu einem integrierten Teil der Haushaltsausstattung geworden. Unsere Digitaltechnik ist unverändert eher Teil unseres Outfits, mehr Accessoir als Haushaltsgerät. Es ist teilweise der überheblichen Anmaßung geschuldet, in der beide – Tech und Kunst – alle Aufmerksamkeit verlangen, ihre apodiktische Moral verkünden, wodurch meiner Ansicht nach beide so schwer erträglich sind, wenn wir sie in den beschränkten Platz unserer vier Wände zwängen. Jasmina Tešanović hat ihre Klage darüber in ihrem flammenden Manifest “Die sieben Wege des Internet of Women Things” zum Ausdruck gebracht, dessen Übersetzung wir ebenfalls auf diesem Blog veröffentlicht haben.
“House Guests” ist der Titel der Ausstellung, und entsprechend geht es hier mehr um das bequeme Zusammenleben von Kunst, Technologie und Menschen, als um Kunst an sich. (Daher möchte ich eine Kritik der Kunstwerke auch auf einen späteren Artikel vertagen).
In der Ausstellung finden sich zweierlei unterschiedliche Formen von Kunstwerken: Physische Objekte und Videos. Acht Videos, die aus der Online-Kunstplattform seditionart.com stammen, laufen auf weißen iPads, die an der Wand hängen. Diese acht Videos sind nicht interaktiv, lediglich Bewegtbild. Es wäre also genauso gut möglich gewesen, sie einfach der Reihe nach auf einem Laptop laufen zu lassen, an die Wand zu beamen, oder sie auf irgendeinem digitalen Bildschirm zu zeigen. Stattdessen waren die einzelnen iPads in schwarze Halskrausen gerahmt, die Größe etwa die doppelte Bildschrimdiagonale, ähnlich dem bürgerlichen Tafelbild. Die Schwierigkeit mit Video-Bildschrimen, und speziell mit den Bildschirmen von Mobilgeräten wie den iPads ist die totale Beherrschung des Inhalts darauf durch das Medium. McLuhans Beobachtung gilt unverändert, dass Dinge im Fernsehen zu allererst TV sind, und erst in zweiter Linie, wenn überhaupt, der Inhalt, wie etwa ein Spielfilm oder Nachrichten. Diese mediale Festgelegtheit gilt in viel geringerem Maße für Gemälde, Zeichnungen, Drucke oder Skulptur, für die ihr Materia lediglich ein Aspekt eines größeren Ganzen darstellt. Und trotz ihrer voluminösen Krägen haben auch die iPads in der Casa Jasmina nicht viel von ihrer hypnotischen Qualität verloren. Die Kunst darauf verblasste unter dem wunderschönen Flimmern ihrer brillianten Technologie. Diese pornografische Dominanz des Mediums ist auf jeden Fall ein Thema, mit wir uns bei Kunst im digitalen Zeitalter auseinandersetzen müssen.
Verglichen mit dem Solipsismus der Videos ging es bei den physischen Objekten sehr viel mehr um wirkliches Zusammenleben. Tischtücher mit algorithmischem Design, Teller mit Dekor, vom Quantified Self inspiriert, Musikinstrumente auf Basis von Microsoft Kinect: Alle möglichen Formen von “zahmer Technologie”, die sich unter die bereits in der Casa vorhanden Gegenständen aus dem Maker Space im Nachbarhaus mischten. Der Anspruch der Kunst in der Casa Jasmina ist nicht hoch, und wir bekommen keine Kunstrevolution verkauft. Während etwa die kürzlich verstorbene Zaha Hadid und ihr Partner Patrik Schumacher den Parametrizismus als das zukünftige Paradigma von Architektur, Design und der ganzen Menschheitskultur schlechthin erklären, gehen die Objekte in der Casa Jasmina eher spielerisch mit den neuen, kreativen Möglichkeiten um, als die nächste Große Erzählung abzuliefern.
Bei der Kunst in der Casa Jasmina geht es also nciht so sehr um Kunst, sondern um das heimische Haus. Das eigentliche Kunstprojekt ist die ganze Casa selbst, mit allem, das dort von Anfang an stattgefunden hatte. Wie Bruce damals gefordert hatte: Es geht darum, menschliche Werte in technische Gegenstände einzubetten. Gemeinsam mit dem Schöpfer des Arduino Massimo Banzi kämpft Bruce für eine ethische Technologie, die er vor kurzem in einem “IoT Manifest” zusammengefasst hatte: Dinge sollen offen bleiben und einfach zusammenarbeiten. Auch wenn die Sstandardisierung der Benutzeroberfläche der Smartphones einen klarer Vorteil der Produkte von Apple darstellt, so möchte doch wohl kaum jemand erleben, dass die Vielfalt der Kunst durch bevormundende Sterilität eines iTunes Store planiert wird. Eng damit ist die zweite Forderung verbunden, die Nachhaltigkeit. Was nützt eine LED-Lampe zwanzig, die Jahre lang brennen könnte, wenn die Software darauf, die sie “Smart” machen soll, nach zwei Jahren veraltet ist und die Lampe vielleicht sogar unbenutzbar macht? Die geplante verkürzung der Lebensdauer von Hard- und Software war von Anfang an ein Geschäftsprinzip in Silicon Valley. Dabei geht es hier nicht einfach nur um Öko-Lamento, wie neulich erst eindrucksvoll von Google bewiesen wurde, als ältere Gerate der Marke ‘Nest’ ferngesteuert unbenutzbar gemacht wurden, um deren Besitzer zu zwingen, sich neue zu kaufen. Die dritte Forderung ist Fairness. Technologie darf die Menschen nicht ausspionieren. Ich glaube, diese Forderung kann nur verwirklicht werden, wenn wir zentralistische Strukturen für die vernetzte Technik verhindern. Nur wenn wir es schaffen, Netze aus dezentralen, verteilten und autonom funktionierenden Geräten zu spannen, werden wir unsere Privatsphäre zu hause verteidigen können.
Für viele Menschen hat sich zeitgenössische Kunst schon längst aus ihrem Leben verabschiedet – intellektuell abgehoben, einzig der hermetische Ausdruck der Künstlerpersönlichkeit, abgeschlossen und geschützt durch Urheberrecht und geistiges Eigentum – Bitte nicht berühren! Digitaltechnologie entzieht sich ebenfalls unseres Zugriffs. Wen wir die glänzenden Gehäuse der digitalen Geräte öffnen, verwirken wir die Garantie. Die Kunst und Technik in der Casa Jasmina ist offen, freundlich, eine einfache Hausgenossin. Man könnte sagen, dass es ihr an der großen Geste fehlt; sie ist nur komfortabel. Vielleicht ist das aber genau der Punkt. Wir werden wieder interessant gestaltete häusliche Gegenstände bekommen, die nicht einfach nur designte Markenprodukte sind, sondern maßgefertigt an ihre Besitzer angepasst, die ihre Gemachtheit sehen lassen, statt sie ellegant zu verschleiern. Was wir erleben, ist der Aufstieg einer neuen Arts&Crafts-Bewegung. Wie ihr Vorläufer vor 120 Jahren, steht auch Neo-Arts&Crafts gegen den glatten Perfektionismus der industriellen Massenfertigung, und ebenso wie damals, nicht in einem Rückschritt zu vorindustrieller Handwerklichkeit, sondern unter Ausnutzung der neuen Methoden und Werkzeuge unserer Zeit. Und im Gegensatz zum Maker Movement, aus dem sie hervorgegangen war, wird es bei Neo-Arts&Crafts weniger um Technolgie gehen, und viel mehr um Handwerkskunst. Diese Art Nouveau heißt auf deutsch Jugenstil oder Reformstil. Bei der Reform ging es darum, wieder eine bewohnbare Umwelt zu schaffen, in der Menschen ein glückliches und gesundes Leben führen konnten. Wenn Neo-Art-Nouveau ähnlichen Zielen folgen sollte, indem sie offen, nachhaltig und fair ist, bin ich überzeugt, dass sie sich durchsetzen wird. Weit mehr als der Parametrizismus und andere akademische Konzepte, die Kunst wieder zu erfinden, hat diese Kunst das Potenzial ein wesentliches Paradigma der Post-Internet Kunst zu werden.
“We must put human values into things, we must beware of the clashes among things. A smart house can clash with a happy house. The thoughtless convenience of seamless design can clash with the need for control and dignity. The users clash with the people. Our geek hood clashes with our personhood.” Bruce Sterling
Casa Jasmina wurde am 6. Juni feierlich in Turin eröffnet. Es ist das erste “Connected Home”, das vollständig Open Source laufen wird.
The Internet of Things
Smart Home -vernetzte Haushaltsgeräte und computergesteuerte, vernetzte Haustechnik, Connected Car – Autos, die als kybernetische Systeme teilweise oder demnächst sogar vollständig automatisch fahren, Wearable Technologie – Messtechnik, die wir direkt am Körper tragen, als Smartwatch, Armband oder als Smart Textile, und schließlich die Smart City, eine weitgehend vernetzte, datengesteuerte Stadtverwaltung – das alles ist das Internet der Dinge, das IoT. Beim Internet der Dinge geht es keineswegs nur um Maschinen – “Data is made of people”, die wichtigsten Daten liefern ein detailliertes Bild des täglichen Lebens von Menschen. Daher bekommen Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung durch das IoT nochmals mehr Bedeutung. Das Internet of Things wird unser Leben noch stärker durchdringen und vielleicht noch stärker verändern, als das World Wide Web oder das Smartphone es schon getan haben.
Wie ist es, tatsächlich mit Connected Technology zu leben? Mehr als zwei Milliarden Menschen sind bereits über ihr Smartphone mit dem Internet verbunden. Ein Smartphone ist aber tatsächlich ein Plattform, die mehr als zwanzig unterschiedliche Sensoren trägt, Messinstrumente, die ununterbrochen unsere Bewegungen, unseren Aufenthaltsort, die Funkverbindung und viele andere Dimensionen unserer Umwelt aufzeichnen. Diese technologischen Eigenschaften sind allerdings kaum das, was die Menschen tatsächlich erleben, wenn sie ihr Smartphone nutzen. Telefone und Tablets sind in ihrer Erscheinungsform vielmehr ziemlich ähnlich zu Büchern, lediglich mit etwas mehr Funktionen. Wir nutzen unsere Mobiltelefone als Medien, und wir sehen sie dabei kaum jemals als Teil eines “Internet of Things”. Daher ist es alles andere als trivial, den wahrhaftig vernetzten Lebensstil sichtbar zu machen. Und das ist eines der Themen, um das es bei der Casa Jasmina geht: Ein Musterhaus für das heimische Leben unter “Connected Technology”.
Digitaltechnologie hat bereits nahezu alle Bereiche unseres Geschäftslebens wie auch unseres Altags verändert. Und obwohl ich oft gesehen habe, wohin bestimmte Entwicklungen führen würder, war es mir kaum möglich, andere Leute von den Konsequenzen zu überzeugen, die nach meiner Meinung bereits unvermeidlich geworden waren. Und dann schlug der Wandel zu, hinterließ seine Opfer blutend auf dem Feld zurück, oft tötlich verwundet. Ich liebe digitale Technik. Ich liebe Social Media, Suchmaschinen und Wikis. Aber ich beklage, wie einfach wir unseren öffenltichen Raum aufgeben, den so viele Menschen für uns so hart erkämpft hatten. Ich beklage, wie schnell wir den gesellschaftlichen und politischen Einfluss an rein wirtschaftliche Berechnung verlieren. Ich möchte kein einziges bischen mehr hergeben, von unseren öffentlichen Gütern. Das ist der Grund, warum wir vor fünf Jahren das Slow Media Manifest geschrieben haben, und warum wir für Slow Startups eintreten, statt für “Disruptive Technology”. Casa Jasmina zeigt eine Alternative zu proprietären Plattformen im IoT; das ist ihr zweites Standbein.
Casa Jasmina
Auf dem Wired Nextfest 2013 hörte ich Bruce Sterling, eine mögliche Strategie erklären, mit der sich die Technologie-Kultur des Silicon Valley, nicht umsonst als “Plattform-Kapitalismus” kritisiert, kontern ließe: Open Source Luxus. Statt Netzwerkeffekte auszubeuten, über Skalierbarkeit und “Winner-Takes-It-All”-Ökonomie Monopole aufzubauen, spracht er sich für wertebasierte Wirtschaft aus, deren Grundlage die Kunstfertigkeit wäre. Open Source wäre dabei kein Widerspruch zu Luxus. Vielmehr fördert Open Source die Kunstfertigkeit als Merkmal der Differenzierung. Anstatt Menschen in die Nutzung eines Betriebssystems zu zwingen, anstatt sie in Abonnements zu sperren, würde Open Source Luxus sowohl Bequemlichkeit als auch die Wahlfreiheit der Nutzer fördern. Und seit September 2014 verkündet Bruce, wie diese Idee greifbar gemacht werden kann: Durch die Casa Jasmina. Benannt nach Jasmina Tešanović, von der die ursprüngliche Projektidee stammt, fußt dieses erste Open Source Connected Home im Turiner Fab Lab und seinem Arduino-Ökosystem. Es ist ein Feldversuch für den Einsatz jener Technologie, die bald auf die eine oder andere Weise unsere Wohnungen durchdringen wird.
Casa Jasmina wird ein Connected Home mit echten Menschen, die darin wohnen. Es wird nicht einfach ein weiterer Ausstellungsraum eines Technologie-Herstellers oder eines Energieversorgers mit Hochglanz-Ausstellungsstücken, die niemand je benutzen wird. Keine Düsenrucksäche, keine fliegenden Autos, keine sprechenden Kühlschränke mit lächerlicher Unterhaltungselektronik, um die keiner gebeten hat.
Casa Jasmina fußt auf zwei Fundamenten. Als erstes der Arduino, Open Source Hardware die zur führenden Steuer-Plattform für das Internet of Things geworden ist. Der Arduino ist eine echtes Kind des Piemont. Nach seinem Start am Interaction Design Institute in Ivrea, wird der Arduino heute von einem Team um Massimo Banzi in einem kleinen Büro über dem Fab Lab in Turin entwickelt. Und obwohl Open Source ist der Arduino Partner von Elektronikkonzernen wie Intel oder Samsung. Eine große Gemeinschaft trägt zur Entwicklung von Anwendungen bei, die auf den Arduino aufgebaut sind. Gemeinsam mit seinem englischen Gegenstück, dem Raspberry Pi Mikrocomputer, liefert der Arduino eine überaus starke Basis für das Internet of Things.
Die zweite Säule der Casa Jasmina ist Design. Wie Dinge aussehen, wie Dinge mit uns und mit anderen Dingeninteragieren, welche Materialien zum Einsatz kommen, und welche Geschichte die Dinge erzählen -für das, was ein Ding ausmacht, sind diese Aspekte ebenso wichtig, wie ihre technische Funktionalität. Casa jasmina ist auf eine Art auch Design Fiction, das heißt Design, das uns vorführt, wie sich anfühlt, was möglicher Weise kommen wird. Aber im Gegensatz zu normaler Design Fiction wird die Casa Jasmina Objekte beherbergen, die tatsächlich benutzt werden sollen, oder die Ausgetascht werden müssen, falls sie sich nicht gut nutzen lassen. Dinge zu entwerfen, die tatsächlich funktionieren ist etwas ganz anderes, als nur ein beeindruckendes Ausstellungsstück abzuliefern. Auch wenn die Dinge, die es in der Casa Jasmina zu sehen gibt, ausgefallen daher kommen, müssen sie dennoch für die Bewohnern des Hauses funktionieren, und nicht nur gerade solange halten, bis sich die Tore einer Industriemesse wieder schließen.
In der Casa Jasmina
Und jetzt gibt es sie, dort, in der Via Egeo Nummer 16. Die Architektur der Casa Jasmina ist echter italienischer Futurismus: Erbaut in den 1920er Jahren, diente das erste Stockwerk, in dem die Casa sich befindet, als Appartment für Manager bei FIAT, und zwar direkt über einer Stahlgießerei, die sich im Erdgeschoss darunter befand; geplant, um die Trennwände zwischen Privatleben und Industrie einzureißen; was könnte es für das Thema unserer Zeit für eine bessere Metapher geben! Wie von den Futuristen gefordert, aber nie wirklich erreicht, wird das Internet of Things unsere Privatsphäre einschrumpfen, unsere bürgerliche Vorstellung einer unverletzlichen, privaten Wohnung. Aber anstatt diese Entwicklung einfach in den Faschismus münden zu lassen, wir wir den Futurismus in den 1930er Jahren haben enden sehen, haben wir heute die Chance, den Futurismus unserer Zeit auf eine wohltätigere, demokratische Bahn zu stoßen. “Wir müssen menschliche Werte in die Dinge bauen”, wie Bruce Sterling es ausdrückt.
Das Äußere der Casa Jasmina sieht für Turiner Verhältnisse immernoch etwas heruntergekommen aus, würde aber sehr wohl für ein durchschnittliches Wohnhaus etwa in Neapel durchgehen. Das Treppenhaus, das zum Piano Nobile des Gebäudes hinauf führt, ist ziemlich eng, und ich schätze, es war ursprünglich eher für Dienstboten und Lieferanten gedacht. Wir betreten die Wohnung durch einen kleinen Vorraum, in Dunkelgrau gestrichen, an dessen einer Wand sich ein programmatischer Text von Bruce Sterling befindet, der die Besucher in das Projekt einführt – ganz so, wie man es in einer Museumsausstellung erwarten würde. Gegenüber davon liegt ein einfaches Badezimmer.
Gerade aus öffnet sich ein geräumiger Korridor mit weißen Wänden, der nach rechts durch hohe Fenster den Blick auf einen Dachgarten freigibt. Links kommt ein kleines Wohnzimmer, das nicht durch eine Wand oder eine Schwelle vom Korridor getrennt ist, sondern durch ein Bücherregal, eine Designstudie von Caterina Tiazzoldi. Eine geräumige Küche öffnet sich dahinter ebenfalls zum Korridor, vom Wohnzimmer durch eine Wand getrennt. Dahinter folgen zwei Räume mit Türen, die als Schlafzimmer dienen werden, wenn die Casa Jasmina schließlich bewohnt werden wird. Am Ende des Korridors führen ein paar Stufen zu einer Wand, an dem ein A0-Poster hängt, das die Allegorie eines ” Internet der Frauen Sachen”.
Dahinter mag sich für eine Doppeltüre befunden haben, die vermutlich einst der Haupteingang war. Der Boden in den Schlafzimmern, der Küche und dem Wohnzimmer ist mit wertvollem, kunstvollen Eichenparkett belegt, das irgendwie die langen Jahrzehnte überstanden hat, in denen das Gebäude verlassen und seinem Zerfall anheim gegeben war.
Die meisten Möbel sind von Open Desk designt, einem Londoner Design Studio, das seine Entwürfe als Open Source veröffentlicht, die sich leicht aus Sperrholz ausschneiden lassen. Die Art, in der Open Desk seine Entwürfe frei verteilt, ist weniger ungewöhnlich, als wir naiv annehmen könnten. Es ist sogar etwas, dass bis vor kurzem völlig alltäglich war. Wenn wir früher zu einem Schreiner gegangen sind, bekamen wir vom Handwerker unterschiedliche Beispileentwürfe gezeigt, die aus Musterbüchern und Katalogen entnommen wurden. Davon hätten wir ein Design ausgewählt und beauftragt, nachdem das Möbelstück schließlich gefertigt worden wäre. Gute Qualität bei Möbeln hängt in keiner Weise davon ab, ob irgendwelches geistiges Eigentum abgesichert wurde. Vielmehr im Gegenteil: Nur massenproduzierte Ware braucht diesen Schutz, da sie nie das handwerkliche Niveau erreichen kann.
Die nicht ganz so smarten Dinge
Die “Smart Things” in der Casa Jasmina sind bisher hauptsächlich Kunstwerke, die mit dem Konzept der Calm Technology spielen. Ein wenig Technik hat auch seinen Weg in die Casa direkt aus dem Regal der Elektronik Supermärkte gefunden. Ein Roomb, ein selbsttätiger Staubsauger, ist zwar nicht vernetzt, aber doch auf seine robotische Weise “smart”. Und dann ist da noch ein Smart-TV Fernseher von Samsung. Just an dem Abend der Eröffnung der Casa Jasmina stand Juventus Turin im Finale der Champions League dem FC Barcelona gegenüber – ein Spiel, dass kein Turiner versäumen durfte. Aber trotz all der Nerds und Geeks, die anwesend waren, gelang es uns nicht, ein TV-Signal auf das Smart-TV zu bekommen. Zu guter Letzt stöpselte ich den Samsung Fernseher an meinen Laptop und degradierte ihn damit zu einem völlig “dummen” Bildschirm für das eigentlich smarte und vernetzte Gerät, das allerdings noch so ganz im 20. Jahrhundert verhaftet ist. Als das erledigt war, gingen die Schwierigkeiten aber weiter. Wir mussten feststellen, dass Mediaset, Italiens dunkle Fernsehmacht, den Stream nur über das Silverlight-Plugin ausspielt – einer Video-Technologie, die so veraltet ist, dass sogar ihre Erfinderin Microsoft den Support schon vor Jahren eingestellt hat. Auf meinem Rechner installierten wir also eine Virtual Machine mit einem zehn Jahre alten Windows, damit wir eine entsprechend antike Version des Internet Explorers darin zum laufen bringen konnten.
Diese lustige Anekdote illustriert, was am “Smart Home” Business falsch läuft, so wie es sich die Unternehmen der traditionellen Unterhaltungselektronik ausmalen. Das Design von Fernsehgeräten ist unverändert seit der Zeit, als es nur ein paar Kanäle gab, zwischen denen man hin und herschalten konnte, und die keinen Bedarf an einer Tastatur hatten, auf der man komplexere Befehle eingeben kann. Noch schlimmer ist das Online-Video Angebot von Mediaset. Getrieben durch den Wunsch nach Kontrolle über die “digitalen Rechte” an den Inhalten, haben sie einfach ihr proprietäres Distributionssystem auf einer lebensunfähigen Technologie aufgesetzt. Falls kritische Infrastrutkur auf so veralteter Software läuft, wird sie leicht zum Sicherheitsrisiko. Man sollte nicht einmal seine Waschmaschine darüber laufen lassen.
Unterhaltungselektronik steht unter dem Ruf, die Industrie mit den schlechtesten Benutzerschnittstellen zu sein, mit dem geringsten Verständnis davon, wie sich Menschen verhalten. Wer jemals versucht hat, die Uhr am Küchenherd zu stellen, weiß, dass die Ingenieure der Elektronikbranche genau auf der anderen Seite des Universums zuhause sein müssen, wie ihre Kunden. Haushaltsgeräte waren schon immer veraltet, Reste übriggebliebener Elektronik, zusammengelötet um ein letztes Mal Geld zu erwirtschaften. Das ist wirklich nicht die Branche, in deren Obhut man gerne seine privaten Daten anvertrauen möchte. Ebensowenig gelten die Versorgungsunternehmen, die schließlich zu den wichtigsten Antriebern des Smart Home zählen, als besonders kundenfreundlich.
Andererseits sind wir mehr und mehr gewöhnt, alle dinge mobil, das heißt auf dem Smartphone zu erledigen. Dienste, die nicht via App auf dem Mobiltleefon erreichbar sind, fühlen sich veraltet und unpraktisch an. Leute, die einmal die Bequemlichkeit der mobilen Welt erfahren haben, werden alle elektronischen Dinge fortan daran benchmarken. Und warum auch nicht? Nur weil die alten Lieferanten unserer Dienstleistungen und Produkte sich nicht nach unserer Nachfrage richten, heißt doch nicht, dass wir darauf verzichten müssen! Sollten wir einfach aufgeben und die altmodischen, ineffizienten Produkte weiter nutzen, die nur unsere Zeit, die Energie und weitere Ressourcen vergeuden?
Open Source
Soll mein Haus von Google Nest oder von Apple Home betrieben werden? Man stelle sich die lächerliche Situation vor, in der man, hat man sich einmal für einen Anbieter entschieden, künftig alle seine Sachen nur noch dort und nirgends anders kaufen kann, weil die proprietären Betriebssysteme sich nicht gegenseitig vertragen. Wir müssten entweder die Smart-Home-Funktionalität aufgeben, oder alle Dinge im Haus auf das eine System abstellen. Es mag einige Marken-Puristen geben, die gedankenlos tatsächlich in so einer Monokultur leben wollen. Für die meisten Leute scheit das aber wenig praktikabel.
Um erfolgreich zu werden, müssen die smarten Geräte nahtlos miteinander zusammenwirken, egal, wer der Hersteller ist. Das ist nicht das Geschäftsmodell von Unternehmen wie Google oder Apple. Offene Standards zur Interoperabilität ist genau das, wofür Open Source steht. Und der Arduino ist ohnehin die ausgereifteste und stabilste Technik für das IoT. Aber Open Source Technologie ist nicht nur besser darin, Dinge zusammenarbeiten zu lassen. Open Source bedeutet, dass man die Dinge hacken kann. Hacken, das heißt, die Dinge zerlegen, auseinanderbauen, verstehen, wie die Dinge und noch wichtiger, wie ihre Software funktionieren. Das ist, soweit ich weiß, der einzige Weg, Dinge wirklich sicher zu machen. Nur was gehackt werden kann, wird wirklich getestet. Nur wenn es eine lebhafte Diskussion über mögliche Sicherheitslücken gibt, und darüber, wie man diese flicken kann, wird diese Technologie für uns sicher werden. Diese Lektion sollten wir inzwischen gelernt haben.
The Internet of Everything
“As Warren Ellis said at ThingsCon, we may be living in the last days when nobody knows where we are — when the home is still like an aristocrat’s castle, distinct from the rest of the world.”
Bruce Sterling
Beim Internet of Things geht es nicht nur um Maschinen, die miteinander sprechen. Die Sensoren in unseren Geräten erzeugen und sammeln Daten, die direkt mit unserem Privatleben verbunden sind, mit unserem Verhalten und der Umwelt, die uns umgibt: “Data is made of people”
Datenschutz, informationelle Selbstbestimmung und Algorithmenethik werden nocheinmal wesentlich wichtiger, da das IoT in Wahrheit eher ein “Internet of Things and Humans” ist, wie Tim O’Reilly es nennt, oder vielleicht noch deutlicher: das “Internet of Everything”. Konzepte wie Big Data oder IoT tragendas Risiko, zum Schlagwort und zur leeren Marketingphrase zu verkommen. Das Marketing- und Techno-Blabla verdeckt dabei, wie alldurchdringend der Einfluss der digitalen Technologie in unserem Leben tatsächlich schon geworden ist. Ein Modell des Smart Home nach menschlichen Maßstäben wird uns helfen, dies wieder sichtbar zu machen. Es wird uns in die Lage versetzen, zu erforschen, wie wir das beste aus dieser wirklich bemerkenswerten Entwicklung gewinnen können, die uns helfen kann, nicht nur unseren Alltag bequemer zu gestalten, sondern auch, ihn sogar erfüllter zu machen, sozialer, und nachhaltiger.
Und darum bin ich überzeugt, dass Casa Jasmina ein so wichtiges Projekt ist.
Das Slow Media Manifest greift zu kurz. Es ist geschrieben aus der Perspektive der Medien, der Verlage, der Medienmacher. Wäre es nicht an der Zeit, die Lebenswirklichkeit der Menschen zu betrachten, zu erforschen, wie Menschen mit Medien umgehen, welche Bedeutung Medien für sie haben, und zwar nicht allgemein, sondern in unserem Sinne, als Slow Media? Statt im Esseyistischen zu verharren – sollten wir nicht lieber Werkzeuge entwickeln, um Slow Media praktisch umzusetzen?
Hans Georg Stolz, Professor für Publizistik in Mainz, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Mediaanalyse, Geschäftsführer der Organisation der Mediaagenturen, war auch Mitglied in unserem Slow Media Institut. Er hatte darauf bestanden, dass wir aus unserem Elfenbeinturm herabsteigen sollten, um uns dem Tagesgeschäft der Medien und Medienforschung zu stellen. Gemeinsam haben wir daran gearbeitet. Am vergangenen Donnerstag habe ich endlich unsere gemeinsame Forschungsstudie Slow Types auf dem Slow Media Symposium der Universität Bath Spa in Westengland zum ersten Mal öffentlich vorgestellt. Zwei Tage später ist Georg gestorben.
Seit seinen Tagen bei Sat.1 in den 90ern war Werbung, speziell Media sein Thema. Werbung war für ihn wesentlicher Teil der Publizistik. Als Geschäftsführer bei Carat in Wiesbaden baute er den Content-Monitor auf, ein durchdachtes Forschungskonzept, dass die Inhalte der Publikationen quantitativ auswertbar machte – lange bevor es Volltextsuche im Web gab. 2000, als er sich mit einer eigenen Agentur in Mainz selbständig gemacht hatte, wurde er der Vorseitzende der agma, damit sozusagen der “leitende Medienforscher” in Deutschland. Während der Verteilungskampf um die Aufmerksamkeit der Zuschauer und die damit verbundenen Werbebudgets keinen Platz für Zusammenarbeit zwischen den Mediengattungen lassen sollte, ist es Hans Georg Stolz dennoch gelungen, alle am Tisch zu behalten. Ich glaube, sein Trick war, den Unwillen der Kontrahenden schnell auf sich zu ziehen und die eigentlichen Konflikte dadurch zu entschärfen. Auf der 50-Jahr-Feier der agma in Dresden konnte er ankündigen, dass Online als weitere Mediengattung zur agma hinzustoßen würde. Beim Festakt auf der Bühne der Semper Oper blieb allerdings unsichtbar, was sich an Diplomatie, an Kabale und persönlichen Dramen hinter den Kulissen abgespielt hatte und auch zukünftig abspielen sollte. Und immer neue Gräben brachen auf. Mit jedem Prozentpunkt, den Print verlor, mit jedem Zuschauer, der von TV zu Online Video wechselte, wurde die Diskussion schwieriger, wurden die Gemeinsamkeiten, die die Mediengattungen zusammen an die agma banden, immer dünner. Georg nahm das stets mit Humor (was viele Leute in den Gremien umso mehr gegen ihn aufbringen konnte) und nahm die Gegner unermüdlich an der Hand, gerne in Form von “konspirativen Treffen” in Weinlokalen in Mainz oder Rheinhessen.
Sein Ziel, die agma zu reformieren, von den Silos der Mediengattungen zu befreien, die Medienforschung daran auszurichten, wie die Menschen ihre Medien rezipieren, statt wie sie produziert werden, hat Georg nicht mehr erreicht. Ich bin sehr skeptisch, ob es ohne ihn noch eine Chance zu dieser Reform gibt. Ich fürchte, dass der frühe Tod von Hans Georg Stolz ein gewaltiger Verlust für die deutsche Medienwirtschaft ist. Wie groß, werden wir erst in Jahren erkennen.
Jeder Besuch in Mainz war etwas ganz besonderes. Georg holte mich vom Bahnhof ab; wir fuhren zu seinem Büro, von wo wir meist schon nach kurzer Zeit wieder aufbrachen, in die portugisische Sportgaststätte neben an, irgendwo nach außerhalb, auf ein Weingut, oder einfach nur zum Café am Ballplatz. Mit Georg (ehemaliger Handballer, Mainz05-Fan) musste ich sogar Fußball ertragen. Bei der WM 2006 zum Beispiel saßen wir im Biergarten des Hofbräukellers in München, weil wir ein Spiel ansehen “wollten” (also er wollte, ich wäre auch einfach so irgendwo ein Bier trinken gegangen). Jetzt hatten sowohl Georg als auch ich schon damals nicht mehr sehr viel Haare auf dem Kopf, daher hatte er Sonnenmilch mitgebracht. Lichtschutzfaktor 50. Blau, damit man sieht, wo man die Kinder schon eingecremt hat. So saßen wir mit blau glänzenden Glatzen im Biergarten in der vollen Sonne, vom Spiel konnte man nichts erkennen, dafür war es viel zu hell, aber das Bier war kühl.
Georgs Art zu lachen war ganz bemerkenswert. Er lachte viel, laut, sehr tief, richtig “Hahahaha”. Ich glaube, ich habe nie mit einem Menschen mehr gelacht, als mit Georg.
Sabria, Benedikt und ich haben vor etwa einem Jahr angefangen, mit Georg gemeinsam ein Konzept zu entwickeln, um die Werte, Lebensstile, die Einstellungen, Markenpräferenzen und die Mediennutzung von Menschen im Hinblick auf Slow Media in Zusammenhang zu setzen. Unserer Modell aus psychographischen und soziokulturellen Merkmalen haben wir dann in Polaritäten und Fragen übersetzt. Daraus hat das münchner Marktforschungsinstitut d.core dann eine Studie entwickelt und mit 2.500 Teilnehmern und jeweils 450 Fragen tatsächlich durchgeführt. Die Ergebnisse sind vor wenigen Tagen fertig geworden. Auf der re:publica wollten wir darüber sprechen. Georg wird uns dabei fehlen. Er wird mir fehlen, weil er mein Antrieb war, überhaupt so weit zu gehen, Slow Media nicht einfach als Blog mit netten Texten stehen zu lassen, sondern weiter zu arbeiten, zu forschen und unser Manifest zu etwas weiter zu entwickeln, mit dem Medienschaffende tatsächlich arbeiten können. Georg wird mir fehlen, weil er mich so oft dazu ermutigt hat, Dinge zu tun, oder anders zu tun. Er wird mir fehlen, weil er mein Freund war.
Data is the new media. Darüber habe ich auch schon geschrieben. Medien, nach dem althergebrachten Begriff, verschränken sich immer mehr mit Daten, unmittelbar mit Data Storytelling, Datenjournalismus und dergleichen mehr, mittelbar dadurch, dass Search, Werbe-Targeting, Filterung von Inhalten und andere Technologien auf Basis von Vorhersagemodellen, immer stärker beeinflussen, was wir als Medien-Inhalte präsentiert vorfinden.
Daher bin ich überzeugt, dass es sinnvoll ist, mit Slow Media anzufangen und zu dann fragen, wie es um Slow Data bestellt ist.
Sorgfältig gepflegte, kleine Datensätze
Das, was über alle Maßen nützlich ist, ist das richtige Verfahren.
Godfrey Harold Hardy
Datenbanken aus dem Direktmarketing tendieren dazu, nicht unbedingt Top Qualität zu bieten (sorry liebe CRM-Leute, aber ich weiß wovon ich da rede). Viele Datensätze sind nur teilweise qualifiziert, wenn überhaupt. Und dazu sind die Informationen, auf die das Targeting fußen soll häufig veraltet.
Kleine Stichproben können große Datenhaufen verbessern
Ab 2006 war ich für eine der großen Marktforschungsstudien verantwortlich, die Typologie der Wünsche. Diese überaus teure Forschung wurde mit allergrößter Sorgfalt durchgeführt, ganz nach den Regeln der Sozialforschungskunst. Die Fragebögen durchliefen das strengste Lektorat, bevor auch nur in Erwägung gezogen wurde, sie an die Interviewer zu schicken. Die Umfrage wurde als persönliches Interview durchgeführt, die Stichprobe der jährlich 10.000 Befragten mit großer Genauigkeit aus der Bevölkerung gezogen. Eine ständige Qualitätskontrolle wurde über die Ergebnisse gelegt. Und um ganz sicher über die Qualität der Umfrage sein zu können, wurde die Befragung von drei unabhängigen Instituten durchgeführt. So konnten wir stets die Ergebnisse über Kreuz validieren.
Da mein damaliger Arbeitgeber auch im Direktmarketinggeschäft tätig war, mit großen Adressdatenbanken, mehreren Call-Centern und Logistik, hatten wir ein Verfahren entwickelt, die sorgfältig kuratierten Daten unserer Marktforschung mit ihrer (für Direktmarketing-Verhältnisse) kleinen Fallzahl, zur Kalibrierung der typisch “schmutzigen” Datensätze des CRM-Geschäfts einzusetzen. Dieser Ansatz hatte so gut funktioniert, dass wir eine Kooperation mit der Deutschen Post darauf aufsetzen konnten, diesmal in erheblich größerem Umfang. Unsere kleine, aber wertvollen Daten wurden auf alle 40 Millionen Adressen in Deutschland projiziert.
Als ich für die MediaCom arbeitete, war ich an einem ähnlichen Projekt beteiligt. Die Fernsehquoten werden in den meisten Märkten in teuren Zuschauerpanels gemessen, die üblicher Weise von Branchenverbänden bezahlt werden, wie etwa durch BARB in Großbritannien oder durch die AGF in Deutschland. Diese Panels bleiben verständlicher Weise auf wenige Tausend Haushalte beschränkt. Da es aber nur wenig mehr als zehn relevante TV-Kanäle gibt, ist diese Anzahl ausreichend für die Mediaplanung. Im Internet dagegen ist die Mediennutzung viel stärker fragmentiert, so dass ein Panel dieser Art kaum sinnvoll einzusetzen ist. Wir verwendeten daher die Daten, die wir über unser Web-Tracking gesammelt hatten, wieder etwa 40 Millionen Datensätze. Und wieder fanden wir einen Weg, die Daten aus dem Zuschauerpanel der Fernsehforschung in die Online-Daten einfließen zu lassen, so dass wir berechnen konnten, wie wahrscheinlich der Nutzer hinter einem bestimmten Cookie eine Werbekampagne bereits im Fernsehen gesehen haben könnte oder nicht. Wiederum wurde der Wert einer Big Data Datenbank durch kleine, aber sorgfältig kuratierte und hochspezialisierte Daten wesentlich gesteigert.
Wissenschaftliche Erkenntnisse in Big Data einbringen
Des Archimedes wird man sich noch erinnern, wenn Aeschylus längst vergessen ist, da die Sprachen sterben, nicht aber Mathematische Ideen.
Godfrey Harold Hardy
Weitere Beispiele, wie kleine, aber sorgfältig kuratierte Daten eine zentrale Rolle in der Data Science spielen, finden sich bei Daten, die wissenschaftliche Erkenntnisse liefern, die nicht schon an sich in unseren ursprünglichen Daten enthalten sind. Text-Mining funktioniert dann am besten, wenn man quantitative Verfahren einsetzen kann, ohne auf schwierige, kulturelle Konzepte wie “Bedeutung” oder “Semantik” Rücksicht nehmen zu müssen. Relevante Inhalte aus ngram-Rangreihen erkennen oder Textvergleiche mit Cosinus-Vektor-Abstand gehören zu den mächtigsten Werkzeugen, um Texte zu analysieren, selbst wenn diese in unbekannten Sprachen oder Alphabeten verfasst sind. Allerdings erfordern die quantitativen Text-Mining-Verfahren stets eine Vorverarbeitung des Textes: Alle Wörter, die nur einer grammatikalischen Funktion dienen, aber nicht direkt zum Inhalt beitragen müssen zunächst aus dem Text gestrichen werden. Es ist außerdem nützlich, die Wörter in ihre Stammformen zu setzen (was man sich als Infinitiv bei Verben oder Nominativ Singular bei Substantiven vorstellen kann). Diese unverzichtbare Arbeit wird mittels spezieller Corpora geleistet, Wörterbüchern, oder besser gesagt, Bibliotheken, die sämtliche notwendige Information dazu enthalten. Diese Corpora sind von Linguisten handgefertigt. Programmpakete wie das NLTK für Python haben diese Wörterbücher und Regeln auf handliche Weise eingebaut.
In seinem Vortrag “The Sidekick Pattern: Using Small Data to Increase the Value of Big Data” gibt Abe Gong, damals Data Scientist bei Jawbone, weitere Beispiele für Small Data, dass die bleiernen Big Data Haufen in Gold verwandelt. Seine alchimistische Data Science Präsentation sei wärmstens empfohlen.
Daten als Kunst
Mich interessiert Mathematik nur als kreative Kunst.
Godfrey Harold Hardy
“Beautiful Evidence“, wunderschöne Anschauung, so nennt Edward Tufte gute Visualisierung. Information kann uns wahrhaft in wunderschöner Form dargebracht werden. Datenvisualisierung als Kunstform hatte es spätestens in das das Allerheiligste der Hoch-Kunst geschafft, als die Gruppe Asymptote im Jahr 2002 auf der Documenta 11 präsentiert wurde. Waren früher Zeichnungen, Kupfer- oder Stahlstiche wie dieser hier die Illustration zum Text, so sind Infografiken heute die Story selbst.
Generative art ist eine andere, datengetriebene Kunstform. Als ich gerade mit dem Studium begonnen hatte, war endlich Die fraktale Geometrie der Natur soweit abgesunken, dass sie auch in den Mathematikvorlesungen angelangt war. Mit meinem Atari Mega ST verschlang ich jede Zeile Code, die ich in die Finger bekommen konnte. Was mich vor allem beschäftigte waren weniger die (in der Regel ziemlich kitschigen) bunten Fraktalbilder. Ich wollte fraktale Musik machen, Generative Music, die aus meinem Code algorithmisch erstehen würde.
Fraktale als ein Kunst-Ding waren letztlich doch eher modischer Schnickschnack, nicht wirklich geeignet, als Rohstoff für echte Kunst. Im Gegensatz dazu ist die Generative Art insgesamt aber inzwischen zu einer festen Institution in den Künsten erwachsen. Ein Großteil der Musik von heute fußt weitgehend auf algorithmischen Mustern in vielen musikalischen Dimensionen – vom Rhythmus bis zur Melodie, bis zu den Obertonspektren. In der Videokunst ist es ähnlich; auch hier finden sich überall algorithmisch erzeugte Bilder.
Kunst aus Daten wird sich weiter entfalten. Ich bin überzeugt, dass Data Fiction zu einem eigenen Genre wachsen wird.
Data als Kritik
… es gibt keine tiefere oder besser gerechtfertigte Verachtung, als die Menschen die etwas erschaffen gegen die Menschen hegen, die etwas erklären. Darstellung, Kritik und Lob sind Tätigkeiten für Geister zweiter Klasse.
Godfrey Harold Hardy
Kritik bedeutet in Alternativen zu denken. Kritik bedeutet dem zu mistrauen, was uns als Wahrheit verkauft wird. Daten sind stets vieldeutig. Bedeutung wird in die Daten erst durch Interpretation gelegt. Kritik bedeutet, diese Interpretation zu dekonstruieren, um Platz für alternative Sichtweisen zu schaffen. Jene anderen Geschichten, die uns die Daten auch noch erzählen könnten, müssen nicht plausibel sein. Gerade das Absurde enthüllt uns oft die verdeckten Aspekte unserer Modelle. So lange unsere alternativen Interpretationen wenigstens theoretisch möglich sind, sollten wir auch diesen Pfaden folgen und sehen, wohin sie uns führen. Data Fiction bedeutet, Daten zum Werkzeug für Kritik zu machen.
Data Science hat unsere Vorstellung davon verändert, was wir als langlebige Ergebnisse betrachten. In Data Science ziehen wir in der Regel keine Schlüsse, die wir als wahr oder dauerhaft betrachten würden. Vielmehr hoffen wir, dass eine Korrelation oder ein Muster, das wir beobachtet haben wenigstens eine Zeit lang stabil bleiben. Es gibt auch keine Hypothesen mehr, die wir akzeptieren würden, die wir abhaken, nur weil unsere Teststatistik ein signifikantes Ergebnis liefert. Wir würden stets fortfahren, mit den a/b-Tests, um nach alternativen Modellen zu suchen, die den Gewinner der letzten Runde unseres Test-Spiels ersetzen können. In Data Science maximieren wir kritisches Denken, indem wir nicht einmal annehmen, etwas falsifizieren zu können, da wir schon von vornherein nicht davon ausgegangen sind, der bisherige Stand unseres Wissens sei wahr. Wahrheit im Sinne der Data Science bedeutet lediglich die wahrscheinlichste Interpretation zu einer bestimmten Zeit; nur flüchtig.
Slow Data bedeutet, mit Daten das Offensichtliche zu dekonstruieren und Alternativen aufzubauen.
Ethische Daten
Eine Wissenschaft gilt als nützlich, wenn ihre Ergebnisse dazu tendieren, die bestehenden Ungleichheiten in der Verteilung des Reichtums zu betonen oder wenn sie ganz direkt dazu dienen, menschliches Leben zu zerstören.
Godfrey Harold Hardy
Zwei Anwendungen dominieren die Big Data Diskussion, die das gerade Gegenteil von moralisch darstellen: Werbe-Targeting und Massenüberwachung. Wie Bruce Sterling betont, sind beide im Wesentlichen nur zwei Aspekte der selben Sache, die er “Surveillance Marketing” nennt. Es macht mich traurig, dass die prominentesten Anwendungen unserer Arbeit diese beiden sein sollen: Menschen Dinge zu verkaufen, die sie nicht haben wollen, und Menschen klein zu halten.
Ich bin allerdings zuversichtlich, dass der wohltätigen Nutzen von Big Data bald so lohnend erscheinen wird, dass wir aus unserem Albtraum des Military Marketing erwachen können. Mit Open Data errichten wir einen öffentlichen Datenraum. Sämtliche der äußerst nützlichen Big Data Werkzeuge sind ohnehin in der Public Domain: Hadoop, Mesos, R, Python, Gephy, u.s.w.
Ethische Daten sind Daten, die einen Unterschied machen, für die Gesellschaft. Ethische Daten sind relevant für das Leben der Menschen: Um den Verkehr zu steuern, die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen, uns mit Energie zu versorgen, Städte zu planen und Staaten zu verwalten. Diese Daten spielen eine zentrale Rolle, das Zusammenleben von bald zehn Milliarden Menschen auf der Weld zu ermöglichen.
Slow Data sind Daten, die im Leben der Menschen etwas bedeuten.
Politische Daten
Es ist niemals der Zeit eines erstklassigen Mannes wert, eine Mehrheitsmeinung zu vertreten. Per Definition gibt es genug andere, die das schon tun.
Godfrey Harold Hardy
“Code is Law”; mit diesem Wortspiel betitelt Lawrence Lessig seinen berühmten Bestseller über die Zukunft der Demokratie. Vom Anbeginn der Internet Revolution wurde diskutiert, ob die neuen Medien- und Kommunikationsformen zu einer weiteren Revolution führen würden: Der politischen. Viele der Medien und Plattformen, die im letzten Jahrzehnt aufgestiegen sind, zeigen Eigenschaften gemeinschaftlicher oder gar gesellschaftlicher Systeme – und werden danach mit gutem Grund als “Social Media” bezeichnet. Es darf also nicht überraschen, dass wir die Entwicklung von Kommunikationsplattformen erleben, die auch eigentlich dazu gedacht sind, neue Formen der Partizipation zu unterstützen und gleichzeitig damit zu experimentieren. Proxy-Voting oder Liquid Democracy wären kaum vorstellbar, ohne die Infrastruktur des Web. Da diese neuen Formate um Politik darzustellen, zu debattieren und abzustimmen erst seit ganz kurzem auftreten, ist damit zu rechnen, dass weitere Varianten auftauchen werden, neue Konzepte, die das Internet-Paradigma auf gesellschaftliche Willensbildung übertragen. Nichtsdestotrotz, werden diese neuen Formen zu wählen auch funkionieren? Bilden sie tatsächlich den Volonté Generale in ihren Entscheidungen ab? Und wenn, werden sie über einen längeren Zeitraum nachhaltig, stabil und stetig weiterlaufen? Und wie können wir solche Systeme bewerten, eines mit dem anderen vergleichen? Ich arbeite augenblicklich in einem wissenschaftlichen Forschungsprojekt wie mit diesen Fragen umgegangen werden kann. Auch wenn ich heute noch keine Ergebnisse vorstellen kann, sehe ich dennoch schon jetzt, dass der Einsatz von Daten zur quantitativen Simulation ein guter Ansatz ist, die komplexe Dynamik zukünftiger, datengetriebener politischer Entscheidungssysteme anzunähern.
Politik bedeutet nach Aristoteles, den Freiraum zu haben, Entscheidungen ausschließlich auf Grund von Moral und Überzeugung treffen zu können, und sich nicht durch Nöte und Notwenigkeiten treiben zu lassen, welche er “die Ökonomie” nennt. Mit Gesetzen zu arbeiten ist in diesem Sinne vergleichbar zu meinem Beispiel über das Text-Mining oben. Sobald Gesetze kodifiziert sind, können sie quasi syntaktisch ausgeführt werden, in der Tat ziemlich ähnlich zu einem Computerprogramm. Was aber gerecht ist, was also in die Gesetze hineingelegt werden soll, ist ganz und gar nicht syntaktisch. Im Idealfall ist dieser Schritt ausschließlich der Politik vorbehalten. Ich glaube nicht, dass algorithmische Gesetzgebung wünschenswert ist, ich bezweifle aber auch, dass sie überhaupt möglich wäre.
Slow Data bedeutet, in aller Ruhe mit Daten neue Formen der politischen Partizipation zu testen.
Machinelles Denken
Schachprobleme sind die Choral-Klänge der Mathematik.
Godfrey Harold Hardy
“Können Maschinen denken?” Das ist die zentrale Frage der AI, der Forschung nach der künstlichen Intelligenz. Schon die Weise, wie wir darüber nachdenken, diese Frage zu beantworten führt uns augenblicklich aus der Informatik heraus: Was heißt es, zu denken? Was ist Bewusstsein? Seit den 1980ern gab es einen faszinierenden Austausch von Argumenten über die Möglichkeit von künstlicher Intelligenz, der im Streit um das Chinesische Zimmer zwischen John Searle und den Churchlands gipfelte. Searle und auf noch abstraktere Weise David Chalmers hatten gute Grüde vorgebracht, warum eine Simulation von Bewusstsein, selbst wenn diese den Turing-Test bestünde, doch nicht wirklich sich selbst bewusst werden würde. Ihre Gegenspieler, am bekanntesten Douglas Hofstadter, wiesen dagegen den Neo-Kantianismus von Chalmers als Metaphysik zurück.
Google hatte vor kurzem ein interessantes Paper über künstliche visuelle Intelligenz veröffenlticht. Dort waren mathematische Modelle mit zufällig aus Social Media Netzwerken ausgewählten Bildern trainiert worden. Und – Überraschung! – der Alorithmus kam mit dem Konzept “Was ist eine Katze?” um die Ecke. Der entscheidende Punkt ist, dass niemand dem Algorithmus gesagt hatte, nach katzenartigen Mustern zu suchen. Werden wir hier also Zeugen der Geburts von künstlicher Intelligenz? Auf der einen Seite leistet der Algorithmus genau, was Hofstadter vorhergesagt hatte. Er ist passt sich Umwelteinflüssen an und übersetzt Sinneswahrnehmung in etwas, dass wir als Bedeutung bezeichnen könnten. Auf der anderen Seite war der Trainingsdatensatz alles andere als zufällig. Die Bilder waren genau das, was Leute abgebildet hatten. Es war ein kollektiv kuratierter Satz mit ziemlich geringer Streuung. Die Muster, die der Algorithmus gefunden hatte, waren in der Tat vom “klassischen” Bewustsein aus den Köpfen ganz realer Leute in die Daten eingepflanzt worden.
Slow Data sind essentiell, um unsere Algorithmen intelligent zu machen.
Die Schönheit wissenschaftlicher Daten
Schönheit ist die erste Prüfung: Es gibt keinen dauerhaften Platz in der Welt für hässliche Mathematik.
Godfrey Harold Hardy
Nun kehren wir wieder zu Hardys Zitat vom Anfang zurück. Als ich Mathematik studierte, verwunderte mich der eigentümliche Ästhetizismus, den viele Mathematiker ihren Gedankengängen aufzwängten. Die Zeiten haben sich seit damals gewandelt. Heute haben wir viele Sätze bewiesen, die lange als schwere Probleme galten. Computergestützte Beweise haben eine feste Rolle in der mathematischen Epistemologie. Beweise, die tausende von Seiten füllen, sind keine Seltenheit mehr.
Naturwissenschaft und Physik im speziellen, wird durch akkurate Daten getrieben. Kepler konnte das einfache heliozentrische Modell widerlegen, weil Tycho Brahe die Bewegung der Planeten mit solcher Genauigkeit gemessen hatte, dass die Vorstellung von Kreisbahnen sich nicht länger aufrecht erhalten lies. Edwin Hubble entdeckte die Stuktur unseres expandierenden Universums, da Milton Humason und andere Astronomen am Mt. Wilson Observatorium spektroskopische Aufnahmen von tausenden von Galaxien angefertigt hatten, genau genug, um die Hubble-Konstante aus der Rotverschiebung der auffälligsten Fraunhofer-Linien abzuleiten. Einsteins Spezielle Relativitätstheorie basiert auf den Daten von Michelson und Morley, die gezeigt hatten, dass Licht sich stets mit konstanter Geschwindigkeit ausbreitet, egal in welchem Winkel zur Erdbahn um die Sonne man sie misst. Diese kompromisslos genauen Daten, in mühevollem Kampf gesammelt, ohne dass irgendein Erfolg garantiert gewesen wäre – diese Daten stehen wirklich hinter den großen wissenschaftichen Durchbrüchen.
Schließlich, während also die Mathematik langsam sich in Syntax verwandelt, entfaltet die Physik in ihrem Herzen die seltensten und überaus schönen Blüten, die man sich vorstellen kann. In der Schnittmenge von Kosmologie, die sich mit den größten überhaupt vorstellbaren Objekten beschäftigt, und der Quantenphysik, auf der allerkleinsten Skala, liegt die fremdartige Welt der Schwarzen Löcher, der Stringtheorie und der Quantengravitation. Der Maßstab dieser Phänomene, die Textur der Raum-Zeit selbst, definiert durch das Planck’sche Wirkungsquantum in Verbindung mit der Gravitationskonstante und der Lichtgeschwindigkeit, ist so unvorstellbar klein – etwa vierzig Größenklassen unterhalb der Größe eines Elektrons – dass wir kaum erwarten dürfen, irgendwelche Daten dazu in naher Zukunft tatsächlich zu messen. Wir können uns also nur auf unsere Logik verlassen und unseren Sinn für mathematische Schönheit und unseren kreativen Geist.
Slow Data
Slow Data – Für mich wird der Raum von Beautiful Data durch diese Aspekte aufgespannt. Ich bin zuversichtlich, dass wir keine neue Fassung unseres Manifests brauchen. Ich hoffe jedoch, dass wir viele Beispiele sehen werden, von wertvollen Daten, von Daten, die Menschen helfen, die ungesehene Erlebnisse erzeugen und die uns die Türen zu neuen Welten unseres Wissens und unserer Vorstellung öffnen.
Anhang: Slow Media
Die Slow Media Bewegung wurde durch das Slow Media Manifest gestartet, das Sabria David, Benedikt Köhler und ich am Neujahrstag 2010 geschrieben haben. Unmittelbar nach der Veröffentlichung des Manifests wurde es auf Russisch, Französisch und etwa zwanzig andere Sprachen übersetzt.
Auf unserem Slow Media Blog finden sich weitere Texte zur Slowness:
Auf Deutsch: slow-media.net
Auf Englisch: en.slow-media.net
Uber ist das neue Google (und das war davor das neue Microsoft, das war davor vielleicht das neue United Fruits oder das neue Standard Oil). “Software eats the world.” bekommen wir zu hören, während wir lernen müssen, wie wenig Kontrolle uns dabei bleibt. Wie Shopping-Malls schließen die Walled Gardens im Internet nach dem Prinzip von Facebook und Google Öffentlichkeit und das Politische aus.
Mit dem ‘Internet of Things’ laufen wir jetzt Gefahr, auch die ganz und gar nicht-virtuelle Realität durch das Geschäftsmodell, mit dem Nutzung von Technologie und Dienstleistungen in abgeschlossene Silos und geistiges Eigentum gezwungen werden, zu verseuchen. Wie Uber sich aggressiv über soziale Normen hinwegsetzt, ist zum Synonym geworden, für ein Phänomen, dass man als Plattform-Kapitalismus bezeichnet.
Zeitgenössische Sciencefiction erzählt uns oft von dieser Welt der “Winner takes it all”-Märkte. Vom DAEMON, der im hier und heute spielt, bis zu ‘Windup Girl’ in einer entfernteren Zukunft, in der alles pflanzliche Leben ausgerottet wurde, ausgenommen patentiertes Saatgut von amerikanischen Agrarkonzernen. Was aber die meisten dieser Schriftsteller nicht richtig abbilden, ist die Kontingenz der Rahmenbedingungen, die zu den beschriebenen Oligarchien führen. So wie die Kartelle in der Zeit vor 1945 ernähren sich Google, Uber oder Monsanto von Ineffizienten unseres nur langsam wandelbaren Rechtssystems. Nicht, dass nicht durch Wähler geändert werden könnte. Die andauernden Proteste gegen das US-Europäische Freihandelsabkommen TTIP zeigen, dass es tatsächlich eine Alternative gibt, den Status Quo klaglos zu akzeptieren.
Slow
José Bové, der französische Agrar-Revolutionär, wurde berühmt durch seine “Dekonstruktion” einer McDonalds Filiale, für die er zwar in Gefängnis ging, nicht ohne aber vom französischen Präsidenten mit dem Orden der Ehrenlegion ausgezeichnet zu werden, und zwar für seinen epischen Kampf gegen das Malbouffe, das Schlecht-Essen. “Le monde n’est pas une marchandise.” Und so sehr ich dieses Zitat liebe, greift es viel zu kurz. Es ist das gleiche Argument, mit dem Naomi Klein zur selben Zeit gegen die Marketing-getriebene Unternehmenskultur von Nike, Apple und deren gleichen anging – “No Logo”.
Slow Food, die italienische Antwort auf Malbouffe löst schließlich diese Dialektik von Wirtschaft versus Kultur, welche die Öko-Bewegung so abstoßend für den bürgerlichen Mainstream machte.
Slow Food ist eine Marke. Die Produkte unter diesem Label sind ebenfalls klar erkennbare Marken. Regionale Herkunft mit Zertifikat und Rohstoffe, deren Qualität auch durch Wirtschaftsprüfer gewährleistet wird, sind das Rückgrat von Slow Food. Der Produktionsprozess dagegen ist völlig transparent. Keine Geschäftsgeheimnisse – jeder kann lernen, selbst Slow Food zu machen; man muss sich ein Kochbuch dazu lesen.
Netzkultur?
Ich habe den Aufstieg und Fall der Piratenpartei gesehen. Ich hatte große Hoffnung auf die Piraten gesetzt, und auch persönliches Engagement, um die Politik durch unsere Netz-Erfahrung (um nicht zu sagen unsere Netz-Gewitztheit) zu erneuern. Wir sind gescheitert. In anderen Teilen der Welt war dieses Scheitern dramatischer. Der Arab Spring hatte die Macht, die autokratischen Regime zu stürzen, ohne eine Chance, die auch zu ersetzen. M5S, das Movimento Cinque Stelle in Italien versucht nicht einmal seinen rechtslastige, libertäre Ideologie zu verbrämen. Die deutsche Piratenpartei ist auf dem besten Weg, M5S auf diesem Pfad zu folgen (ohne allerdings viel Hoffnung auf Wahlerfolg). Ein Defizit sind fehlende Wurzeln des neu gedachten Systems in einer Kultur.
Make in Italy
Vor fünf Jahren haben wir das Slow Media Manifest geschrieben. Wir waren überzeugt, dass es eine Alternative zu Malbouffe auch für unsere Branche geben würde. Wie könnte eine slowe aber dennoch durch das Netz getriebene Kultur aussehen?
Kano ist ein Computer für Kinder, der auf dem Raspberry Pi läuft. Kano wurde auf Kickstarter crowdgefundet. Obwohl darauf ein vollwertiges Debian Linux System läuft, ist die Benutzeroberfläche so für Kinder optimiert, dass es ihnen so leicht fällt, auf dem Kano programmieren zu lernen wie sie aus Lego Dinge bauen.
Open Source wird üblicherweise von den Apologeten der Kulturindustrie wie Jaron Lanier kritisiert, sie sei der Hebel, die Kreativklasse endgültig ihrer zu entrechten. José Bové sah das genau entgegengesetzt. Für ihn sind Patente und Urheberrecht eine der Hauptursachen für die Schwierigkeiten der Bauern in Europa, zusammen mit den staatlichen Subventionen, die (genau wie Patente) stets eher große Firmen unterstützen, ohne kleinen Produzenten zu helfen. Jeder Mensch kann versuchen Wein anzubauen oder versuchen Käse zu machen. Guter Wein und guter Käse werden nicht mit einem Preispremium verkauft, weil sie patentiert sind. Wir zahlen, nicht um etwas zu bekommen, das schwierig zu erfinden ist, sondern das schwierig herzustellen ist.
Raspberry Pi ist ein Open Source Computer aus England und Wales (je nachdem, wen man fragt, bekommt man die eine oder andere Antwort …). Der Pi ist ein überaus vielseitiges Werkzeug für alle möglichen Aufgaben, die Rechenleistung erfordern, so wie ein Media-Center für zu hause oder eben ein Kindercomputer. Mehr als zwei Millionen Pis wurden bereits verkauft. Der Arduino kommt aus dem Piemont. Er ist ein Platine mit Schaltkreisen. Wenn man wissen will, die was Internet of Things aussehen wird, muss man nur nach Arduino-Projekten suchen.
Pi und Arduino legen das Fundament für eine neue Form von Desing und Fertigungstechnik: Die Maker-Bewegung. Die Maker-Bewegung passt hervorragend zur kleinräumigen Kultur Italiens, die seit Jahrhunderten mehr durch Handwerk als durch Großindustrie geprägt war.
Open source luxury
Meine Prada-Tasche. Jeder Lederwarenhersteller kann selbstverständlich eine Tasche wie diese machen. Es ist nicht das Copyright-geschützte Design, dass dieses Originalprodukt wertvoll macht.
Bruce Sterling skizziert, wie “Make in Italy” die natürliche Fortsetzung von “Made in Italy” wird. Er argumentiert, dass die Leute stets für den Wert handwerklicher Fertigung bezahlen werden. Was Slow Food für Landwirtschaft und Gastronomie geleistet hat, kann die Maker-Bewegung für Design und Luxusgüter erreichen, die schließlich das wichtigste Kapital der italienischen Wirtschaft darstellen. ‘Open Source Luxury’ ist kein Widerspruch. Italienisches Essen ist nicht wertvoll, weil es nicht legal kopiert werden kann. Mode ist nicht außergewöhnlich, weil sie durch Copyright geschützt ist; tatsächlich kann man alle erdenklichen italienischen Modemarken als nachgemachte Fälschungen kaufen, ohne dass dies den Wert der Originale mindern würde. Die mögliche Zukunft von handwerklich hergestellten Open Source Haushaltsgütern, Möbeln und Accessoires, die Bruce Sterling uns beschreibt, ist wirklich wunderschön. Ich kann nur wärmsten empfehlen, sein Plädoyer in dem Video über die ‘Casa Jasmina’ anzusehen!
Bruce Sterlings Version einer wohlbringenden Open Source Wirtschaft sollte ebenso perfekt in die deutsche Fertigungskultur passen. Ich bin mir sicher, dass mein Freund Ibo Evsan richtig lag, mit seinem Plan, Maker-Spaces in das Herz des deutschen Manufacturing hineinzuheben, geprägt durch Mittelstand und unternehmergeführte Familienbetriebe.
Wir haben damals mit Slow Media angefangen, weil wir die Veränderung in den Rahmenbedingungen bereits erkennen konnten – Slow Fashion, Slow Furniture, ja eine ganze Slow Industrie haben wir uns erhofft. Fünf Jahre später bin ich mir sicher, dass wir recht hatten, der Idee der Slowness zu folgen.
Heute vor 20 Jahren wurde die erste SMS verschickt. Und mit der SMS beginnt das Zeitalter der Kurznachrichten, der asynchronen Echtzeit-Kommunikation und die Epoche der Lakonie. Aus der SMS wurden Twitter, Foursquare, Facebook, Whatsapp, … zur Zeit werden alleine ca. 300.000 SMS pro Sekunde versendet.
Mit der SMS haben wir gelernt, unser Leben genau dort und dann organisieren, wo wir gerade gehen oder stehen, ohne darauf angewiesen zu sein, den Anderen “an die Leitung” zu bekommen. Auch wenn es schon zuvor Pager gegeben hatte – die Integration in ein Gerät, das Mobile Fon, mit dem wir nicht nur telefonieren und texten, sondern bald auch fotografieren konnten und heute mehr und mehr unsere ganze Kommunikation abwickeln.
SMS, Short Messaging Service, 140 Zeichen Text (wobei viele Provider bis zu 255 Zeichen zulassen, zumindest in lateinischem Alphabet). Die SMS hat uns erzogen, uns kurz zu fassen. Wir haben mit ihr eine neue und äußerst effiziente Sprache entwickelt, lakonisch, ganz wie wir es von den alten Sprachen her kennen.
Die Lakonie hat ihren namen von den Lakedemoniern, den Spartanern. Xenophon überliefert, wie oben zitiert, eine Depeche, die der spartanische Vizeadmiral während der Schlacht von Kyzikos an seine Heimatstadt schickte. Die einzeilige Nachricht wurde von den Spionen Athens abgefangen und so – irronischer Weise – der Nachwelt erhalten:
“Boote gesunken, Mindarus tot, Männer hungrig, mit unserer Weisheit am Ende.”
Die äußerste Knappheit der Ausdrucksweise wurde bald sinnbildlich mit Sparta verbunden, so wie wir die Reduktion aufs Wesentliche, den Verzicht auf alles Beiwerk auch heute noch spartansich nennen.
Welche Bedeutung hat die SMS, haben Kurznachrichten für uns heute, nach zwanzig Jahren? Jedes neue Medium, sagt McLuhan, können wir in vier Aspekten betrachten und so ein besseres Bild davon bekommen, was dieses Medium in unserer Gesellschaft und Kultur bewirkt:
1. Was wird durch das Medium verbessert?
2. Was wurde verdrängt?
3. Was, das verloren war, taucht wieder auf?
4. Wohin kippt die Entwicklung, wenn sich das Medium vollständig durchgesetzt hat?
Diese Tetrade, bezogen auf Kurznachrichtendienste könnte folgendermaßen aussehen:
Verstärkt Effizienz, Gemeinschaft, Kontrolle
Holt wieder hervor Vers, Metapher, Lakonie, Gespräch
Medium: SMS /Kurznachrichten
Schlägt um in Memetische Kommunikation, Shitstorm, Piraten, Arab Spring,
BigData, Slow Media
Das Tetraden-Modell von McLuhan: vier Aspekte auf die Wirkung von Medien auf Kultur und Gesellschaft.
1. Kurznachrichten erhöhen die Effizienz. Wir teilen uns anderen in Echtzeit mit, in knappen Worten, hochkonzentriert und sind dabei unabhängig davon, ob der Empfänger gerade empfangsbereit ist. Der stetige Austausch verstärkt Gemeinschaft. Nicht nur, dass wir über Kurznachrichten leicht eine größere Anzahl von Leuten koordinieren können – wenn wir uns heute mit Freunden im Biergarten verabreden, machen wir nur selten einen genauen Treffpunkt aus – wir organsieren uns spontan. Durch “ich bin hier und habe dies und jenes erlebt” teilen wir unsere Gedanken, Gefühle und unsere Erlebnisse ganz unkompliziert und kontinuierlich mit anderen. Auf diese Weise bedeutet SMS, Twitter, Foursquare etc. auch Kontrolle: wir können von anderen verlangen uns zu informieren, ja, wir erwarten es sogar – “bei dir war besetzt” oder “du bist nicht dran gegangen” haben als Ausreden ausgedient.
2. Die SMS hat offensichtlich den Pager überflüssig gemacht. Aber – auch wenn viele das noch nicht begriffen haben – auch den Anrufbeantworter oder, wie man heute sagt, die Mailbox: es ist lästig, sich aus dem aufs Band gesprochenen Wort, den relevanten Inhalt herauszuhören, Telefonnummern oder Daten herauszuschreiben, wo man per SMS, Twitter oder anderer Kurznachrichtendienste die wichtigen Information einfach direkt ziehen könnte, die schriftlich und elektronisch zu verarbeiten ist, bieten doch die meisten Telefone die Möglichkeit, Telefonnummern aus Nachrichten direkt anzuwählen.
Ich bin tatsächlich der Meinung, dass es die SMS ist und nicht die Email, die den Briefwechsel verdrängt. Die Mail ist formal immernoch ein Text mit nahezu beliebiger Länge; auch wenn sie in der Regel schneller ausgeliefert wird, als der Brief, teilt sie alle anderen Nachteile: schnell ist das Postfach voll; bevor man die langwierigen Ausführungen eines Briefes aufgenommen und in ein Antwortschreiben verdaut hat, sind bereits jede Menge Dinge geschehen, die den Inhalt des Briefes veralten lassen, jede Menge weiterer Nachrichten, Mails oder Briefe eingetroffen, die ebenfalls nach Antwort und Bearbeitung heischen. Der Briefwechsel als Literaturgattung – oft seitenlanges Geschwurbel – ist nicht mehr zeitgemäß und unbestreitbar auf dem Rückzug; es ist genau 15 Jahre her, dass ich den letzten Brief schrieb – und auch nur, weil der Empfänger damals bereits 80 Jahre alt war. Die Nachfolge – der Email-Thread wird es, das kann man wohl schon heute sagen, bis auf Ausnahmen kaum schaffen, etwas Hervorzubringen, das wir literarisch nennen wollten.
Sprichwörtlich ist das Ende der klassischen Nachrichtenmedien durch Twitter. Dabei ist es nicht nur die mangelnde Aktualität von Zeitungen oder TV-Nachrichten im Verleich zur Echtzeit-Kommunikaiton der Kurznachrichten – es ist vor allem der mangelnde Filter. Bekommen wir bei Zeitung oder TV stets das Gefühl, zu erfahren, was wir gar nicht wissen wollten, während wir das wirklich wichtige vorenthalten bekommen und verpassen, suchen wir uns in unserer Timeline genau die Menschen, deren Aussagen wir für relevant halten. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht auf das Problem der Filter Bubble eingehen, also das Phänomen, dass wir uns durch unsere Timeline in unserer eigenen Realitätsblase gefangen bleiben. Es geht mir auch nicht darum, zu erörtern, ob es vielleicht doch besser wäre, wir würden dennoch weiter Zeitung gelesen haben – die Tatsache ist, dass die klassischen Nachrichten durch die asynchrone Echtzeitkommunikation in der Nutzung bald vollständig verdrängt werden.
3. Es gibt eine Form des sprachlichen Ausdrucks, die perfekt auf die 140 Zeichen der Kurznachrichten ausgelegt ist: der Vers. Verse sind das wichtigste Hilfsmittel der mündlichen Überlieferung. Jeder Satz ist ein einfacher Einzeiler. Satz um Satz kann man sich die Sage, das Märchen, die Ballade einprägen. Ein Text, der in lauter einfache, etwa gleich lange Sätze aufgeteilt wird, erhält von selbst einen Rhythmus. Der Vers wurde im Zeitalter des Buchdrucks an den Rand der Literatur verdrängt – eine reine Kunstform, ohne praktischen Nutzen, da der Platz im gedruckten Text nahezu unbegrenzt war und durch die beständigkeit ein Auswendiglernen nicht mehr von Nöten. Mit der SMS kommt der Vers zurück, der Aphorismus, der Einzeiler. Und da poetische Sprache sich durch höchste Verdichtung ausdrückt, in Metaphern ganze Bilder in wenige Worte mit mehreren Bedeutungsebenen zusammenfasst, ist es kein Wunder, dass die Sprache der Kurznachrichten oft sehr metaphorisch ist.
Aber nicht nur das Vershafte der Kurznachrichten erinnert an mündliche Tradition. SMS, Twitter etc. sind in ihrem Kern keine Text-Medien, sondern vielmehr Gespräche, Austausch von Rede und Gegenrede, oft nicht nur im Dialog, sondern über eine ganze Gruppe von Teilnehmern.
4. Wir erleben bereits, wie sich unsere Kultur durch Kurznachrichten verändert. Über den Memetic Turn haben wir hier bereits öfters geschrieben. Metaphern, Bildhafte Ausdrücke, deren Bedeutung sich nur dem vollständig erschließt, der kulturell eingeweiht ist, der den Kontext versteht und das Bild lesenkann, erzeugen in hohem Maß Gemeinschaftlichkeit. Katzenbilder sind der Kitt unserer Gesellschaft.
Durch die Unmittelbarkeit, das “ich kann sofort Antworten” erleben wir häufig, wie sich Nachrichten in positiven Regelkreisen schnell zum Sturm aufschaukeln, besonders, wenn es um Empörung geht: der Shitstorm ist eine Figur der Kurznachrichten-Epoche.
Die Kultur der Piratenpartei hängt ebenfalls stark mit Kurznachrichten zusammen. Hochgradig memetisch – kein Tweet ohne hermetischen Hash-Tag, hochgradig selbsterregend und für Außenseiter bis ans Unhöfliche grenzend knapp und direkt. Auch wenn es inzwischen mehr als dreißig tausend Piraten-Mitglieder in Deutschland gibt, der Kern, das Netz der bundesweit Aktiven informiert und organisiert sich nicht über Mailinglisten oder Wiki, sondern über Twitter; “140 Zeichen muss reichen”.
Ich bin überzeugt, dass die meisten der politischen Erhebungen der letzten Jahre eng mit der SMS-Kultur verwoben sind. Ich sage nicht, dass wir den Arab Spring ohne Twitter oder Facebook nicht erlebt hätten, aber die Kurznachrichten geben dieser neuen Form von Selbst-Ermächtigung ganz wesentlich ihr Gepräge.
Neben den Suchmaschinen, sind es die Kurznachrichten, deren Sturzflut zu einem neuen Paradigma in der IT geführt hat: BigData. So groß ist das Volumen, so schnell kommt immer Neues nach und muss in Echtzeit verarbeitet werden, dass die alten Regeln für Hardware, Betriebssysteme und Datenbanken schnell aufgegeben wurden. Kurznachrichten sind Gespräche, die in Text-Form vorliegen. Damit sind sie maschinell leicht auszuwerten; es ist sind nicht nur Volume und Velocity, auch Machine Learning wird durch die Kurznachrichtenrevolution aus seinem Dornröschenschlaf erweckt.
Und schließlich: wenn Real-Time Realität ist, wenn es also nicht mehr darum geht, Kommunikation zu beschleunigen, weil sie bereits in der völligen Gleichzeitigkeit angekommen ist, muss unser Ziel jetzt sein, zu verstehen, was geschieht. Wir können uns jetzt darauf konzentrieren, was uns wichtig und was uns wertvoll ist. Slow Media ist unsere Antwort, die Synthese der SMS-Tetrade.
Zwanzig Jahre Kurznachrichten – ein historischer Zeitabschnitt von allergrößter Bedeutung für die Kultur in sehr vielen Teilen der Welt, aber vor allem für uns, für mich, ganz persönlich.
Vita brevis,
ars longa,
occasio praeceps,
experimentum periculosum,
iudicium difficile.
Wieviele Städte haben sich mir nicht in den Märschen erschlossen, mit denen ich auf Eroberung von Büchern ausging.
Walter Benjamin, “Ich packe meine Bibliothek aus”
I once read a silly fairy tale, called the three Princes of Serendip: as their Highnesses traveled, they were always making discoveries, by accidents and sagacity, of things which they were not in quest of.
Horace Walpole, Brief an Horace Mann vom 28. Januar 1754
2005 hatte ich zur Vorbereitung unserer Ausstellung “Splendor Solis” nach Literatur auf ZVAB gesucht. Einer der gesuchten Titel war bei einem münchner Antiquariat verfügbar. Statt also ein paar Tage auf die Lieferung zu warten, bin ich einfach auf meinem Weg durch die Stadt bei dem Ladengeschäft vorbeigegangen und habe mir das Buch direkt vor Ort gekauft. Da es mich interessierte, fragte ich den Buchhändler, wie wichtig der Vertriebskanal ZVAB für ihn sei. Ohne zu zögern sagte der: Online stünde für zwei Drittel der Verkäufe und für einen Zuwachs an Geschäft von mindestens 25 Prozent. Das war 2005.
Ich erzähle diese Begebenheit, weil es mein letzter expliziter Besuch in einem Antiquariat gewesen ist.
Nicht, dass ich nicht vorher schon das Meiste an Büchern nach Katalogen bestellt hätte – aber es war stets eine 1:1-Beziehung, stets der Katalog eines Antiquariats. Inzwischen gibt es für mich Used&Rare Books nur noch auf ZVAB und Amazon.
Amazon ist ein perfektes modernes Antiquariat; aktuelle Lehrbücher, vergriffene Texte der letzten 20-30 Jahre sind hier gut erreichbar. Das liegt meiner eigenen Erfahrung nach darin, dass Buchverkäufe über Amazon wesentlich einträglicher sind, als sie je über den stationären Antiquariatshandel gewesen wären. Es greift das Long-Tail-Prinzip: für spezielle Titel ist die Wahrscheinlichkeit einen Käufer zu finden hier einfach größer. Und die Marge, die Amazon sich behält ist entsprechend klein.
ZVAB bietet wiederum ein ganz anderes Sortiment – die gesamten Kataloge fast aller Antiquariate in Deutschland und vielen anderen Ländern sind verfügbar. Im Gegensatz zu Amazon bietet ZVAB die besten Treffer bei alten und auch bei wertvollen Büchern.
Ich kaufe mir heute Bücher vor allem gezielt. Ich stoße auf ein Thema, recherchiere danach und kaufe mir die fehlenden Texte. Stöbern tu ich aber so gut wie nicht mehr, ganz zu schweigen davon, extra in einer Stadt herumzufahren, um Antiquariate zu besuchen.
Der Tod der Serendipity durch Google, Amazon, Ebay etc. ist oft beklagt. Der Information Highway bedeutet – wie bei einer Autobahn “im Real Life” – zum einen, gezielt dorthin zu gelangen, wo man hinmöchte, aber auch zu übersehen, was links und rechts des Weges gelegen hätte.
Aber in Wirklichkeit ist das Rad schon viel weiter gedreht. Während ich diesen Post schreibe, habe ich die Literatur dazu online aufgerufen. Das Benjamin-Zitat oben habe ich noch konventionell aus der Suhrkamp-Ausgabe abgetippt – ich wusste genau wo es steht; Walpoles bemerkenswerte Erfindung des Wortes Serendipity aber habe ich von Google Books geholt – bei aller Liebe zum 18. Jahrhundert – den Briefwechsel mit Horace Mann in vier Bänden habe ich dann doch nicht griffbereit zu hause.
Oft höre ich, ‘ja, aber das Meiste, besonders aber entlegene Sachen findet man eben doch nicht online”. Das stimmt zum Teil noch (wobei ich den besagten Briefwechsel, der bei Google komplett digitalisiert vorliegt, schon recht weit abseits gelegen finde). Aber es ist doch nur noch eine Frage der Arbeit weniger Jahre und praktisch alle Buchveröffentlichungen werden online verfügbar stehen. Amazon verkauft auch in Europa bereits mehr Ebooks als gedruckte Bücher [1]. Schon bald also wird auch die Suche nach gedruckten Büchern auf ZVAB oder Amazon auf Bibliophilie reduziert – nur noch das wird gekauft, was wir materiell in den Händen halten wollen.
Um meine Rede eingangs wieder aufzugreifen: ich halte diese Entwciklung für positiv und begrüßenswert, von der persönlichen Bequemlichkeit abgesehen, bietet die Verfügbarkeit der Literatur online unglaubliche Chancen für Menschen, die fern der Zentren keinen Zugang zu Bibliotheken haben. Es geht mir nicht darum zu beklagen, dass Literatur und Flanieren nicht mehr gekoppelt sind, auch wenn sich beim Gedanken an diesen “Verlust” Nostalgie einstellt.
Wie wir zukünftig auf Dinge stoßen, die wir nicht gesucht haben, inspiriert werden, außerhalb unseres direkten Freundeskreises, ohne von den wenigen Algorithmen der Empfehlungssysteme bei Amazon und Google abhängig zu sein, halte ich dennoch für eine sehr wichtige Frage.
“To do something interesting, it’s got to make follies. I became OK with this idea that I was OK being wrong.” sagt Brian Eoff, Data Scientist bei bit.ly in seinem bemerkenswerten Vortrag auf den Data Days. Gezielte Störungen in die Algorithmen einbauen, um uns vom graden Weg abzubringen – vielleicht ist diese gezielte Störung der Weg, uns die Serendipity zu erhalten. Und zwar nicht nur beim Suchen nach Information.
Am Ende der unverändert lesenswerten Kurzgeschichte Cutting Edge von Michael Meloan – eine Schlüsselerzählung über Stanford – ist es genau, was der Informatik-Professor Peter Jakob in die Forschung der Universität injiziert: Zufall.
I have introduced a virus into all the computer systems on our network. It is very subtle, virtually undetectable, and will produce minuscule cyclic errors in floating-point calculations on all of the workstations. […] I am convinced that in tracking down these errors, the faculty and students will be shaken out of their routines, which I’m hoping will have a positive effect. Each one will be forced to look at his or her data from a slightly new perspective. Forced to stop and ruminate. These are the spores that I have shed.
Vielleicht ist aber auch Twitter die Lösung, wie Jürgen Hermes vorschlägt [2]. Wenn man nur genug unterschiedlichen Leuten folgt, ist die Timeline wie Vogelgezwitscher – und voller Überraschungen.