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Papier und ökologische Nachhaltigkeit

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Traunsteiner Salzmeierzyklus “Nachhaltigkeit”, sagt der Mann in dem Video auf der Leinwand, “das ist für mich wenn man immer dasselbe macht. Das Gegenteil von flexibel”.
– Für mich einer der stärksten Momente auf dem Mediamundo Kongress zur nachhaltigen Medienproduktion, der dieser Tage in Berlin stattfand.

Für die einen ist der Begriff schon zum Marketing-Buzzword verkommen, während er für die meisten Menschen schlicht missverstanden wird. Gute Voraussetzungen, eine leere Hülse zu werden, ein toter Begriff.

Der Term Nachhaltigkeit stammt aus der Forstwirtschaft. Den Waldbauern ist bereits seit Jahrhunderten klar, dass man nur soviel abholzen darf, wie nachwachsen kann – da in dieser Industrie oft zwei oder mehr Generationen zwischen Saat und Ernte vergehen, ist es nicht verwunderlich, dass spätestens mit Aufkommen sehr holzintensiver Produkte am Ende des Mittelalters, wie den wachsenden Flotten immer größerer Segelschiffe oder den Salinen mit stark zunehmendem Bedarf an Brennstoff zum Verdampfen der Sole, die nachhaltige Wirtschaft explizit in die Ökonomie Eingang gefunden hatte. Erst im Zeitalter des Stahl und der Steinkohle – später des Erdöls – wurde das Konzept Nachhaltigkeit zunächst scheinbar überflüssig.

***

Von den etwa 390 Millionen Tonnen Papier, die jährlich produziert werden, verbrauchen Europa und die USA alleine knapp die Hälfte. Deutschland, mit einem pro-Kopf-Verbrauch von 256 kg pro Jahr (1950 waren es gerade einmal 40 kg), liegt dabei nur knapp hinter den USA und weit über dem europäischen Durchschnitt. Alleine der Anteil von 7,4 Millionen Tonnen Papier in Deutschland, die aus frisch geschlagenem Holz und nicht aus Altpapier hergestellt werden, entspricht etwa der Menge die Afrika als Ganzes verbraucht. Zunächst sind es die gewaltigen Waldflächen – 20% der globalen Holzernte werden für Papier verwendet; mehr als 50 Millionen Kubikmeter alleine in Deutschland. Daneben schlägt vor allem der Wasserverbrauch bei der Papierherstellung zu Buche. 7 Liter Wasser werden für ein Kilogramm Papier verbraucht, der größte Teil davon bleibt als giftiges Abwasser zurück.

Bis Druckerzeugnis nachhaltig produziert werden, scheint es also noch ein weiter Weg. Zwar werden Tageszeitungen heute vollständig aus Altpapier hergestellt, bei allen anderen Drucksachen ist der Altpapieranteil aber seit Jahren rückläufig. Es gilt drei Ziele zu verfolgen, sollen Printmedien ökologisch nachhaltig werden:

1) Vermeiden
Insbesondere bei Werbedrucksachen bleibt es unverständlich, wie selbst grundsätzlich wertvolle Marken ungeniert Spam-Mailings an nahezu ungefilterte Verteiler schicken. Auch die Katalogversender schaffen es so gut wie nie, sich auf Kunden einzustellen, die das Altpapier leid sind, das regelmäßig Briefkasten und Papiertonne verstopft. Von den Schweinebauchanzeigen und Beilegern, die die meisten Zeitungsleser ohnehin aus der Zeitung direkt in die Tonne schütteln (“de-bonning” – ja, das hat sogar einen Namen!). Dann das Ausdrucken von Mails und anderem Büro-Kram. Und schließlich auch ein Appell an die Drucker-Hersteller: solange es selbst technisch geschultes Personal nicht schafft, auf Anhieb zweiseitig Auszudrucken, bleibt die Rückseite eben ungenutzt.

2) Wiederverwerten
Recycling-Papier muss wieder Standard werden. Die öffentlichen Verwaltungen in Deutschland berufen oft sich auf EU-Recht und sehen in der Einschränkung auf bestimmte Papiersorten eine Wettbewerbsverzerrung. Auch bei öffentlichen Ausschreibungen wird keine Recycling-Quote vorgegeben. Dass dies nur ein Vorwand ist, belegen die Niederlande mit ihrer Selbstverpflichtung zu ökologischem Papier in der Verwaltung. Aber auch hier sind die Hardware-Hersteller gefragt: solange unklar bleibt, inwieweit Recycling-Papier zu höherem Verschleiß und häufigerer Wartung der Geräte führt, bleibt beim Einsatz von Recycling-Papier zumindest Unsicherheit.

3) Zertifizieren
Auch eine strikt ökologisch Ausgerichtete Druckerei ist auf Papier mit Frischfasern angewiesen. Auf Bäume als Rohstoff ist nicht zu verzichten. Aber genau hier liegt ja eine der Stärken von Papier im Vergleich etwa zu elektronischen Medien: es ist nachwachsender Rohstoff, ja in gewissem Umfang wird sogar CO2 in Papier dauerhaft gebunden. Es ist Zeit für eine Rückbesinnung auf die Waldwirtschaft der Zeit vor der industriellen Revolution – das Holz, dass geschlagen wird, nachwachsen lassen.

International transparente Testate wie die Zertifizierung der Forest Stewardship Council geben den Papierverarbeitern die Sicherheit, tatsächlich nachhaltig produzierten Rohstoff zu kaufen und nicht nur Greenwashing zu betreiben. Erfreulicher Weise wird das FSC-Zertifikat bereits in weiten Teilen der Industrie anerkannt und eingesetzt. Die Nachfrage nach sauberem Holz ist allerdings so stark, dass es kaum möglich ist, den Bedarf mit FSC-Zertifiziertem Wald zu decken. Damit es nicht reine Utopie bleibt, muss ein Zertifikat Kompromisse eingehen, was natürlich auch nicht unproblematisch ist. “Während wir für die einen schon als unglaubwürdig gelten, sind unsere Kriterien für viele andere gleichzeitig immernoch unbezahlbar.”, beschreibt Uwe Sayer von FSC Deutschland die Zwickmühle zwischen Glaubwürdigkeit und Praxis.

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Papier ist ein wunderbares Medium – es hält seinen Inhalt unter einigermaßen guten Bedingungen über Jahrhunderte lesbar. Keine Abspielgeräte sind notwendig, keine Stromversorgung. Unter diesem Aspekt ist Papier an sich schon immer nachhaltig. Umso wichtiger ist es, jetzt den Schritt zu gehen, auch der Papiererzeugung eine langfristige Perspektive für die Zukunft zu geben!

“Nein, das ist eine Überraschung! Und eine herrliche Überraschung!” sagte das Papier. “Nun bin ich feiner als zuvor, und nun werde ich beschrieben werden! Was kann nicht alles geschrieben werden! Das ist doch ein außerordentliches Glück!” Es wurden die allerschönsten Geschichten darauf geschrieben, und die Leute hörten, was darauf stand, und es war richtig und gut, es machte die Menschen weit klüger und besser, als sie bisher waren, es war ein wahrer Segen, der dem Papier in den Worten gegeben war. Hans Christian Andersen, Der Flachs.

Weitere Beiträge zum Thema Druck:

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Slow theory Termine

Slow Media Camp 2010

Amor Addit. Emblem mit geflügelter Schildkröte. Slow Media Camp 2010
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Am 9. Juni 2010 veranstalten wir das erste Slow Media Camp (Hashtag: #slow10). Aus der Beschreibung der Veranstaltung:

New-Media-Hype oder Medienverweigerung? Mit Slow Media versuchen wir einen dritten Weg beschreiten. In den Sessions auf diesem Themencamp wollen wir Beispiele von Slow Media vorstellen, diskutieren, wie sich Slow Media in der Zukunft entwickeln und uns ganz besonders der Frage widmen, ob wertvolle Kommunikation nur aus Idealismus und persönlichem Enthusiasmus entstehen kann oder ob sich nicht doch auch gutes Geld mit guten Medien verdienen lässt.

Ort:

Hewlett-Packard GmbH
Schickardstrasse 32 (Geb. Businesspark)
D-71034 Böblingen

Anfahrtsbeschreibung

Zeit:

Mittwoch, 9. Juni 2010 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr

Ab 17.00 grillen mit slowem und nachhaltigen Essen.

Anmeldung und Kontakt:

Email: slow10 [at] slow-media.net

Anmeldung und Vorschläge für Sessions und Themen in den Kommentaren zu diesem Beitrag oder über Mixxt: slowmediacamp.mixxt.de

Das Slow Media Camp findet in Zusammenarbeit mit dem Forum Wertvolle Kommunikation statt und wird unterstützt von der Hewlett-Packard GmbH.

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Philosophie Slow theory

Das Ende der Geschichte – für Kreativ-Berufe.

Félicien Rops: Pornocrates[Read Post in English]

Eternal must that progress be
Which Nature through futurity
Decrees the human soul;
Capacious still, it still improves
As through the abyss of time it moves,
Or endless ages roll

Its knowledge grows by every change;
Through science vast we see it range
That none may here acquire;
The pause of death must come between
And Nature gives another scene
More brilliant, to admire.

Philip Freneau

Heute Morgen habe ich mir aus der IMSLP ein Lied von Schubert ausgedruckt.

Bevor ich daran gedacht hatte, auch nur einen Ton daraus am Klavier zu spielen, habe ich mir in Youtube nacheinander sieben verschiedene Versionen dieses Liedes angehört – aus allen Jahrzehnten von 1930 bis heute. Warum? Weil ich daraus meine eigene Interpretation des Stückes zusammenkomplieren wollte.

Einmal davon abgesehen, dass ich die Notenblätter einfach in genau dem Moment aus dem Netz gezogen habe, in dem mir in den Sinn kam, das Stück zu spielen, greife ich also jetzt in meiner Interpretation nicht nur auf meine eigenen Lehrer zurück oder auf den Stil meiner Zeitgenossen, den ich übernehmen oder mich davon abgrenzen kann, sondern es stehen mir zahllose Varianten aus 100 Jahren Musikaufzeichnung zur Verfügung!

***
Kunst schien stets von Fortschritt geprägt, weil die Künstler immer einen Lehrer hatten, einer Schule angehörten, deren Stil und Theorie für sie das Fundament ihres eigenen Schaffens wurde, Generation nach Generation. Gerade aus der Abgrenzung zum Stil des Lehrers, aus dem Wunsch, etwas besser machen zu wollen, entstand diese Schrittweise Entwicklung der Kunst, die in der Rückschau nicht selten eine Weiterentwicklung gewesen zu sein schien.

Auch wenn die Maler sich in der Regel in den landesfürstlichen Kunstsammlungen auch ein Bild von der Kunst vergangener Epochen machen konnten, blieben diese Werke doch anachronistisch, Relikte aus einer Vergangenheit, zu der nur noch indirekt ein Bezug herzustellen war.

Noch drastischer war die Situation in der Musik – vor Erfindung der Schallplatte war die Interpretation der vergangenen Zeiten verloren, greifbar blieb nur, was live gehört werden konnte.

Mein Musik-Beispiel oben soll illustrieren, wie fundamental sich die Bedingungen der Stilbildung geändert haben, dadurch, dass schier das gesamte bisherige Schaffen der Menschheit wohlgeordnet und durch Suchmaschinen bestens indiziert für jedermann zur Verfügung steht.

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Auf der diesjährigen Transmediale hat Bruce Sterling einen bemerkenswerten Vortrag gehalten: “Atemporality for Creative Artists” – Das Ende der Geschichte – für Kreativ-Berufe, sinngemäß übersetzt.

Stirling nimmt das Wort Atemporality, zeitlich Autonom, als einen Begriff für die Verfügbarkeit allen Wissens und aller Werke unabhängig von ihrer Entstehungszeit. Ein Phänomen, das – wie oben geschildert – unsere Zeit charakterisiert.

Den Punkt, an dem die Menschen geistig vollkommen Unabhängig von Zeit und Raum werden, hat der französische Anthropologe und Philosoph Pierre Teilhard de Chardin SJ den Omega Punkt genannt. Angelehnt an die biblische Eschatologie “Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.” (Apo 22,13) markiert dieser Punkt der menschlichen Evolution das Ende der Geschichte und den Eintritt der Menschheit in eine Zeit in der die Vorstellung von Fortschritt überflüssig geworden ist.

Die Idee, dass der Fortschritt irgendwann zu Ende geht, ist vermutlich so alt, wie der Begriff Fortschritt selbst. Das Konzept Fort=Schritt, dass also der Weltgeist sich langsam und schrittweise zur Vollendung bewegt (wie in Frenaus Gedicht oben), ist Grundüberzeugung vieler Religionen und Ideologien. Auflösung im Nirvana wie im Buddhismus, Eintritt in die klassenlose Gesellschaft wie im dialektischen Materialismus oder Endsieg des Marktes wie bei Fukuyama – am Ende steht ein Zustand der Bewegungslosigkeit, das Ende der Räusche und Geräusche.

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Ohne gleich zu sinnieren, wie eine Rückkehr des Messias oder das Ende des Klassenkampfes uns bevorstehen könnte – stellt Bruce Stirling ganz pragmatisch die Frage, welche Wirkung diese Unabhängigkeit des Künstlers von Zeit und Raum nach sich zieht.

Die Welt wird – anders als Fukuyama oder Marx uns hoffen machen – keineswegs einfacher: “The situation now is one of growing disorder. A failed state, a potentially failed globe, a collapsed WTO, a collapsed Copenhagen, financial collapses, lifeboat economics.” “Aber”, tröstet er uns, “ich glaube nicht, dass wir deshalb in Hexenwahn verfallen müssen. Ich denke es könnte mehr damit verglichen werden, in eine neue Stadt zu ziehen”.

Und damit uns die Panik vor dem Neuen nicht blind macht, empfiehlt uns Bruce Stirling, uns einen distanzierten Standpunkt zu suchen. Wenn wir nach der Avantgarde von heute suchen, sollten wir dies aus der Perspektive von zwanzig Jahren später tun, “entblättert von allem Chrom und allen Mirakeln: lassen Sie sich nicht länger vom Eindruck technischer Neuartigkeit blenden. Gehen Sie nicht mit. Nehmen Sie an, dass alles schon vergangen wäre und entwickeln Sie [ihre Perspektive] von diesem Standpunkt aus.” – If it works, it’s obsolete.

Der köstliche-Leichnam-trinkt-den-neuen-Wein

Wie macht man Kunst in einer post-historischen Zeit, wenn also ein Fortschritt so gut wie unmöglich scheint? Kunst nach dem Ende der Kunst? Bruce Stirling öffnet in Ansätzen zwei Wege, in welchen – nicht alternativ sondern komplementär – sich Kunst heute entwickeln kann: Favela Chic und Gothic High-Tech. Die dekadente Ruine einer Burg, dem Zerfall geweiht, steht hocherhoben über dem Wirrwar eines Slums, kein angenehmer Ort, aber immerhin noch lebendig.

Gothic High-Tech lebt vom Glanz der Vergangenheit, von der Sehnsucht nach einer alternativen Gegenwart.

Punk ist die naheliegende Reaktion auf unsere Epoche ohne Zukunftsperspektive: “You have taken my future now I Kill somebody, kill myself, throw bricks to policemen” – eine primitive Anti-Haltung wäre heute allerdings genauso sinnlos, wie die anderen ideologischen Posen des 20. Jahrhunderts. Aber Punk bedeutet auch, sich etwa seine Kleider und Accessoires selber zu fertigen – die Bricolage – die Bastelei, wie man das wohl am besten übersetzt, die Verweigerung von Massenkultur und Pop durch eigene Kreativität.

Das Frankenstein Mashup ist die logische Folge, der Eklektizismus aus zusammengeklebten Fundstücken wie in der DJ-Musik und der postmodernen Architektur. Und aus den verlorenen Utopien der Vergangenheit werden schließlich sehnsüchtige Lost Futures collagiert: where is my space age? Steampunk, Atompunk, Dieselpunk.

Favela Chic liefert keine große Inszenierung mehr, keine geniale Schöpfung eines Jahrhundert-Künstlers, sondern lebt vom Gewimmel, welches sich im Netz gelegentlich locker organisiert findet.

Daraus entwickeln sich zwei ganz neue Ansätze. Generative Art wird durch Software geschaffen, ist streng genommen nur noch indirekt Kunst, weil die sichtbare oder hörbare Erscheinung technisches Produkt eines Algorithmus ist. Collaborative Art macht sich die Möglichkeit zum gemeinsamen Schaffen im Netz zu Nutze, nur locker organisiert als Wiki-Art, als Art-Mob.

Diese Ansätze zur Kunst nach dem Ende des Fortschritts sind genauso auf andere Bereiche der Kultur zu übertragen: auf Publizistik, Filmproduktion, Küche, aber sogar die Gesetzgebung, die kollaborativ ausgehandelt werden könnte.

Thus decomposed, or recombined,
To slow perfection moves the mind
And may at last attain
A nearer rank with that first cause
Which distant, though it ever draws,
Unequalled must remain.

Weiterlesen: Die rote Liste der bedrohten Medien

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Slow theory

SLOW MEDIA,
FAST MEDIA,
NO MEDIA?

auf der re:publica

GIBT ES EINEN WEG ZWISCHEN ALWAYS-ON UND MEDIENZÖLIBAT?
Wer mit uns auf der re:publica 2010 diskutieren möchte, sei herzlich eingeladen:

Wann: Donnerstag, 15. April 2010, 19:00 Uhr

Location: Kalkscheune Kleiner Saal
Dauer: 60 Minuten
Mit: Benedikt Köhler,
Martina Pickhardt,
Sabria David,
Jörg Blumtritt

http://re-publica.de

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Naturwissenschaft Webseiten Zeitschriften

Spektrum der Wissenschaft

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Was die Physiker als “Standardmodell” der Teilchenphysik bezeichnen – um seinen vorläufigen Charakter anzudeuten –, liefert eine beeindruckende Deutung vieler Aspekte unserer Welt. Spektrum.de / Weltbild vor dem Umbruch

Heute ist der große Tag am LHC, dem großen Teilchenbeschleuniger am europäischen Forschungsinstitut CERN. Warum ist es uns wichtig, dass durch die gewaltigen Energien immer feinere Details unserer Welt für uns erkennbar werden? Weil nur durch die Beobachtung offenbar wird, ob unser Bild der Welt, unser Modell, dass wir zu ihrer Erklärung konstruieren, zur Vorhersage von Tatsachen, von Wirklichkeit taugt.

Seit Mai 1980, genau dreißig Jahre lese ich das Spektrum der Wissenschaften (anfangs allerdings waren es eher die mystischen Bilder, die mich in ihren Bann zogen – die meisten Artikel habe ich noch nicht verstanden). Viele der wissenschaftlichen Projekte, die dieser Tage Eingang in die allgemeine Presse finden, waren von Anfang an dabei. An Tagen wie heute wird mir bewusst, was für ein schöner, dialektischer Prozess die Wissenschaft sein kann. Über Jahre hinweg werden Modelle spekuliert, wird die Existenz neue Bausteine unserer Welt daraus abgeleitet – wie etwa das Higgs-Boson, für dessen experimentellen Nachweis schließlich die enorme Anstrengung in Genf unternommen wird. Wenn man diese Entwicklung nur von hinten – von der Veröffentlichung der bahnbrechenden Nachrichten her liest, kann man nicht verstehen, die Wissenschaft funktioniert.

Die Ruhe, diesen Prozess Monat für Monat nachzuzeichnen, ist für mich die herausragende Qualität des Spektrum. – Für und Wider der unterschiedlichen Standpunkte, und zwar Quer durch alle Wissenschaften. – und nicht zuletzt die Philosophie. Hier habe ich zum ersten Mal von John Searls “Chinesischem Zimmer” gelesen (Jan 1990) – und habe seine Kritik an Dougles Hofstadters Vorstellung menschlichen Automaten als Befreiung empfunden; hier bin ich zum ersten Mal David ChalmersRätsel des bewussten Erlebens” begegnet, und wie darin die Möglichkeit zum empirischen Erkenntnisgewinn über uns selbst radikal in Frage gestellt wird.

Vielen Streitgespräche auf Wissenschafts-Blogs oder auf Twitter sparen sich den Punkt, um den sich auch sonst viele Wissenschaftler durch die Konzentration auf das empirisch Machbare allzuleicht herumdrücken: die impliziten Grundlagen von Erkenntnis. Wenn in wissenschafts-ethischen Diskursen gefordert wird, ohne Scheuklappen zu diskutieren, so ist damit meist gemeint, dass man ernste Bedenken, die das Vorgehen in Frage stellen würden, bitte hier nicht zu äußern habe. Doch eben Dispute wie Searle oder Chalmers sie liefern, sorgen für den nötigen Raum zur Selbstreflexion. Das ist für mich eine der herausragenden Stärken von Spektrum. Und dadurch werden mir auch Artikel lesbar (und sogar lesenswert), wie der Essey des Religionskritiers Edgar Dahl “Die Würde des Menschen ist antastbar!” im März-Heft.

Und liegt mir Dahls Menschenwürde noch schwer im Magen, so liefert dieselbe Ausgabe auch wunderbar leichte Kost: Gleich die Titelgeschichte macht sich auf die Suche nach den Geschwistern der Sonne – eine poetisches Überschrift – und wir machen uns auf eine Reise, fünf Milliarden Jahren zurück, sehen, wie eine Supernova in nächster Nähe explodiert und wie die Sonne und ihre Geschwister ihre Kinderstube verlassen und sich langsam über die ganze Milchstraße zerstreuen; reine Utopie!

Bereits Ende der Achtziger wird der Klimawandel thematisiert (leider geht das Online-Archiv nur bis 1993 – immerhin das Geburtsjahr des Browsers, aber der älteste Artikel, an den ich mich erinnere war Juni 1989). Auch zur Zeit läuft eine Reihe unter dem etwas großspurigen Namen “Erde 3.0” und auch hier verharrt Spektrum nicht beim Altbekannten, sondern stellt in zum Teil abenteuerlichen Projekten Alternativen vor. Landwirtschaft in Hochhäusern zum Beispiel.

Scientific American, dessen deutsche Ausgabe das Spektrum der Wissenschaft ist, scheint mir auch eines der ganz wenigen Medienprodukte zu sein, dass wirklich durch seine Internationalität profitiert. Eine Zeit lange habe ich die amerikanische Ausgabe gelesen, musste aber feststellen, dass einem durch das deutsche Spektrum nichts verloren geht.

Spektrum ist auch die einzige allgemeinwissenschaftliche Publikation, die ich kenne, die in jeder Ausgabe der Mathematik ihren Platz gibt – mindestens in einem, häufig, wie im aktuellen Heft sogar in mehreren Artikeln.

Und wenn ich mich gefangen fühlen, in der Wirrsal des Alltags – dann denke ich an den eschatologischen Beitrag zum “Das Ende des Raumschiffs Erde”. Ja, in geologischen Zeiträumen ist das Ende der Erde bereits nahe; schon bald verschluckt die sterbende Sonne alles Leben.

Spektrum inspiriert. Es ist für mich persönlich mein wichtigste Slow-Medium.

Weitere Beiträge auf slow-media.net über Zeitschriften:
Die Brand Eins
Wired Magazine
Kunstforum International: 200 Ausgaben
Widerspruch – Münchner Zeitschrift für Philosophie

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Bücher Slow theory Videos

This is the end of publishing

(auf us.penguingroup.com)

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Architektur Kunst

Glasfenster

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Fenster im Südquerhaus des Kölner Doms von Gerhard Richter.
Abbidlung mit freundlicher Genehmigung der Derix Glasstudios GmbH & Co.KG, Taunusstein.

That [Chamber] at the eastern extremity was hung, for example, in blue -and vividly blue were its windows. The second chamber was purple in its ornaments and tapestries, and here the panes were purple. The third was green throughout, and so were the casements. The fourth was furnished and lighted with orange -the fifth with white -the sixth with violet. The seventh apartment was closely shrouded in black velvet tapestries that hung all over the ceiling and down the walls, falling in heavy folds upon a carpet of the same material and hue. But in this chamber only, the color of the windows failed to correspond with the decorations. The panes here were scarlet -a deep blood color.Poe, The Masque of the Red Death

Die Romantik des 19. Jahrhunderts mit der Begeisterung für das Mittelalter brachte auch das bunte Glasfenster wieder zum Vorschein.

Wohnhaus von Sir John Soane in London, gebaut 1808-24.
The copyright on this image is owned by Peter Barr and is licensed for reuse under the Creative Commons Attribution-ShareAlike 2.0 license.

Es gibt spektakuläre Beispiele voll zeitgebundenem Nationalismus, wie etwa die Bayernfenster, die dem Kölner Dom von Ludwig dem I. “gestiftet” wurden, wobei wohl weniger Frankreich, als vielmehr den Kölnern selbst deutlich gemacht werden sollte, wohin sie sich zu orientieren hatten – ganz gleich auf welcher Seite des Rheins sie lebten. Irronie des Schicksals, dass ausgereichnet Ludwig der einzige deutsche Monarch war, der bei der Revolution 1848 zurücktreten musste – just dem Jahr, in dem die Bayernfenster eingeweiht wurden.

***
Glasmalerei hat es in der Kunstgeschichte selten über das Niveau des Kunsthandwerks geschafft. Zu schrecklich sind auch die Schwundstufen – Butzenfenster mit Pferdegespann im derben Wirtshaus der 30er Jahre, oder gothisch-nationaler Kitsch wie die oben erwähnten Fenster in Köln.

Nach dem Ende des Mittelalters konzentriet sich die Architektur auf das “natürliche” Sonnenlicht. Fenster dienen jetzt nicht mehr als eigenständige Kunstschöpfung sondern sind fester Teil des Gebäudes. Die inszeniert mystische Atmosphäre der alten Kathedralen steht regelrecht im Gegensatz zum grandiosen Theater der Bauwerke des Barock und schließlich passt das künstlich-bunte Licht nicht zum wachsenden Wunsch einer unmittelbaren Erfahrung eines höheren Sinnes in der Natur, wie er sich seit dem 17. Jahrhundert, nicht nur durch die Landschaften Claude Lorrains ausgeprägt hat:

I know that others find you in the light,
That sifted down through tinted window panes.
And yet I seem to feel you near tonight,
In this dim, quiet starlight on the plains. (Lomax, Lomax, Spencer, Rogers)

Die metaphorische Bedeutung von Licht hatte sich verändert. Dadurch kommen wir aber zu einem wichtigen Aspekt von gestalteten Glasfenstern: sie waren nicht (nur) Teil der Architektur sondern vielmehr Medien, geschaffen, um darin zu lesen.

Die frühesten erhaltenen bemalten Glasfenster finden sich im Dom von Augsburg: drei Propheten, wohl aus einer größeren Serie, ca. 1060 n. Chr. Material und Darstellungtyp sind bereits voll ausgeprägt, wie wir sie aus den folgenden vier Jahrhunderten kennen. Kleine, gefärbte Glasstücke, die mit Bleibändern zusammengesetzt werden, teilweise mit Zeichnungen in brauner Emailfarbe oder mit Silberpigment bedeckt.

Die mittelalterlichen Fenster sprechen auf mehrere Bedeutungs-Ebenen:

Zunächst dienen sie als Armenbibel, d. h. als bildhafte Darstellung theologischer Inhalte für die Besucher der Kirche, die in dieser Zeit ja in der Regel nicht lesen konnten.

Die zweite Ebene ist ein Bild vom “himmlischen Jerusalem”. Zunächst natürlich überwältigt es die mittelalterlichen Menschen, die außerhalb der Kirche so gut wie nie andere Farben als Braun, Grün und Himmelblau zu sehen bekamen. Aber das bunte Glas ist nicht nur Inszenierung, es hat auch einen theologischen Aspekt, der sich aus der Vision des Hesekiel und aus der Apokalypse herleitet:

Und über dem Himmel, so oben über ihnen war, war es gestaltet wie ein Saphir. (Hes 1,26)
* Und vor dem Stuhl war ein gläsernes Meer gleich dem Kristall. (Apo 4,6)
* Und ihr Licht war gleich dem alleredelsten Stein, einem hellen Jaspis. (Apo 21,11)
* Und der Bau ihrer Mauer war von Jaspis und die Stadt von lauterm Golde gleich dem reinen Glase. (Apo 21,18)

Das bunte Glas der Kathedralen war ebenso kostbar und teuer wie echte Edelsteine. Tiefes Rot, sogennanten Goldrubin, erhielt man etwa durch Beimischung von nanoskopischen Goldpartikeln. Deshalb wurde in der Gothik das Glas auch nicht als bloßer Ersatz von echten Edelsteinen gesehen. Den Edelsteine wurde ihre Bedeutung ebenso wie dem bunten Glas wegen ihrer farbigen Durchsichtigkeit zugeschrieben.

Sainte Chapelle
Copyright-Informationen

Die Durchsichtigkeit eröffnet die dritte, spirituelle Bedeutungsebene: dem Licht selbst wird die Farbe und auch der Inhalt der Glasbilder eingeschrieben, es wird dadurch verändert, vergleichbar zum Weihwasser. Diese Vorstellung einer “Licht-Taufe” ist sicherlich das Eigentümlichste an der mittelalterlichen Glaskunst. Deren spektakulärste Beispiel ist meiner Meinung nach die Sainte Chapelle in Paris.

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Wie eingangs bemerkt, war die Renaissance der Glasfenster im 19. Jahrhundert vollständig ekklektizistisch und zeigt kaum Eigenständigkeit – von subtilen, spirituellen Bedeutungsebenen wie im Mittelalter ganz zu schweigen.

Erst im 20. Jahrhundert entstehen wieder Glasschöpfungen die zu Recht als Kunstwerke angesehen werden können.

Naheliegend werden viele dieser Werke in Kirchenbauten eingesetzt: Le Corbusiers Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp besitzt viele kleine, bunte Fensterchen, allderings fehlt hier der Charakter eines Mediums – die Scheiben bleiben architektonische Dekoration.

Anders sieht es bei den wundervollen Glasklebebildern von Rupprecht Geiger aus, sakral, wie das Tauffenster in der Evangelischen Apostelkirche in Stockdorf oder profan, wie im Treppenhaus in der Technischen Universität München (Theresien- Ecke Luisenstraße). Geiger gelingt es, ohne jeden Ekklektizismus eine abstrakte Ausdrucksform in seinen Glasfenstern zu finden.

Auch das Fenster im Südquerschiff des Kölner Doms von Gerhard Richter besitzt wieder die differenzierten Bedeutungsebenen. Die Farbigkeit ist schon in der Herstellung der Gläser direkt den gothischen Fenstern angelehnt. Eine Armenbibel für Analphabeten, das macht Richter klar, braucht es in unserer Welt technisch reporoduzierter, scheinbar objektiver Bilder nicht mehr und hebt sich damit vom üblichen, an Holzschnitte von Ernst Barlach erinnernden Sakral-Kitsch ab. Die menschlichen Worte und Bilder treten vollständig zurück. Es wird nichts abstrahiert, nichts aus der Wirklichkeit ins Bild übertragen. Die Farbflächen sind in jedem der Felder rein zufällig angeordnet, die Felder selbst aber zueinander spiegelsymmetrisch. In dieser globalen Symmetrie löst sich der lokale Zufall auf. Dadurch kommt im überirdische Farbenspiel der Aspekt der gothischen Licht-Mystik wieder vollständig zum Vorschein.

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Ein Glasbild aber markiert regelrecht einen Wendepunkt zwischen den Epochen: das Große Glas von Marcel Duchamp von 1923. Es ist der Angelpunkt für Duchamp selbst und steht wie kaum ein anderes Kunstwerk für das ganze 20. Jahrhundert.

Der Originaltitel dieses wichtigsten Glaskunstwerks der Neuzeut lautet:

“Eine Jungfrau, von ihren Bräutigamen entkleidet, genau das.”
“La mariée mise à nu par ses célibataires, même”

Kunst, die Machine Célibataire, die Junggesellenmaschine.

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Religion Slow theory

Über das Fasten

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P. Breughel d. Ä.:Carnival und Fastenzeit

“Mach mich wieder froh.” (Psalm 51,14)

Das ist die Bitte aus dem Psalm zum Beginn der Fastenzeit am heutigen Aschermittwoch.

Trotz eines anhaltenden Trends zum Heilfasten kann man allerdings kaum davon sprechen, dass Fasten und besonders Buße im alltäglichen Sprachgebrauch mit Freude in Verbindung gebracht werden. Man mag darin doch die Sinnesfeindlichkeit und den Hang zur Trieb-Unterdrückung konzentriert sehen, welche dem Christentum gerne unterstellt werden. Fasten bleibt, bei allen Versuchen zur Säkularisation, in der spirituellen – wenn nicht gar Eso-Ecke.

Die aktuelle Rede vom Medien-Fasten regt entsprechend zu hitziger Diskussion an, bei der beide Seiten einander unterstellen, religiös und nicht objektiv zu argumentieren. – Nicht ganz von ungefähr, hatte doch sogar Benedikts XVI., immer für einen Aufreger gut,  im Angelus vom 17.2.2008 die Medien-Enthaltsamkeit zur Unterstützung der inneren Sammlung und Reinigung empfohlen:

“Dazu kann es auch nützlich sein, von der Fülle und Flut an Stimmen und Bildern in unserem Alltag für eine Weile Abstand zu nehmen.”

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Fasten und Diät sind Begriffe, die im Zusammenhang mit Slow Media an verschiedenen Stellen auftauchen, wenn es um den Wunsch nach Heilung einer von manchen empfundenen Überforderung geht, oder um die Unsicherheit, wieweit das eigene Leben inzwischen schon von Medien und insbesondere dem Internet abhängt.  In Ihrem Blog schreibt Jana Herwig unter dem Titel “Twitter-Fasten: Ich tu’s (aber nicht für Schirrmacher und Kluge)”:

“Aber manchmal möchte ich auch wieder ohne diesen [Social-Media-Sinn] sein, möchte nicht in der U-Bahn und in anderen handlungsarmen Momenten zum Smartphone greifen, um zu schauen was sonst los ist, möchte dem Impuls, sich artikulierende Gedanken auch auf Twitter zu verfestigen, mal nicht nachgehen, nicht wissen, wie andere darauf vielleicht reagieren, sondern es nur für mich behalten.”

Auf diesen Beitrag bezieht sich auch Luca Hammer, nach seiner Selbsteinschätzung Autor von bis zu 800 Tweets pro Monat:

“Täglich mehrere Stunden, die ich damit verbringe Tweets zu lesen und zu schreiben. Hochfrequent. Ständig im Kopf. Was würde passieren, wenn ich diese Zeit fürs bloggen einsetzen würde?”

Und auch Ibrahim Evsan, der kaum als Internetskeptiker gelten dürfte, verordnet sich von Zeit zu Zeit eine Internet-Diät: “Wenn ich zu schwer werde, muss ich weniger konsumieren und mich mehr bewegen, wenn mir die Zeit für das reale Leben in der digitalen Welt ‘abhanden’ kommt, muss ich dafür sorgen, dass ich den Social Media Konsum optimiere”

***

Buße, μετάνοια, wie in der Begriff im griechischen Evangelientext heißt, bedeutet wörtlich Um-Denken und nicht Strafe, anders, als uns dies heute in Wörtern wie Bußgeld, abgeleitet aus der Lateinischen Übertragung poenitentia mitschwingt. Um umdenken zu können, forderte Benito Cocchi, der Erzbischof von Modena in der Fastenzeit freiwillig an einem Tag der Woche auf SMS, Internet und Fernsehen zu verzichten und so wieder eine Verständiung zu pflegen und nicht nur Kommunikation zu betreiben: “Per tornare a comunicare, invece di komunikare”.

“Denn in der pluralistischen Gesellschaft kommt alles wahllos zur Sprache, was nur immer Neuheit und Sensation verheißt.[…] Doch man muß zu einer kritischen Reife erziehen, die mit Weisheit zu wählen versteht.”

redet Benedikt XVI. seinen deutschen Bischöfen beim Ad-Limina-Besuch ins Gewissen (ohne ihnen damit aber eine Ausrede zur Internet-Verweigerung zu spendieren, denn: “Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die Euch erfüllt” (1 Petr 3,15).”).

Fasten, sagt Thomas von Aquin “… soll die Begierde des Fleisches zügeln, dem Geist die Betrachtung des Erhabenen erleichtern …”.

Durch das Abstand nehmen kann der Blick frei werden, auf die Folgen, die durch unsere Kommunikations-Apparate in der Welt entstehen. Und Benito Cocchi meint damit auch ausdrücklich die materiellen Folgen, denn ein großer Teil unserer elektronischen Ausrüstungen wird durch die abscheulichste Form von Ausbeutung erzeugt, was man sich wohl viel zu selten bewusst macht – und woführ jeder von uns gefälligst ein Stück Verantwortung übernehmen sollte. Bei aller CSR-Rhetorik von der Green IT müssen wir uns doch vor Augen führen lassen, dass wir von Nachhaltigkeit bei unserem Medienkonsum noch sehr weit entfernt sind!

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Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer sehen wie die Heuchler; denn sie verstellen ihr Angesicht, auf daß sie vor den Leuten scheinen mit ihrem Fasten. […] Wenn du aber fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein Angesicht (Mt 6,16-17)

Fasten soll keine Last sein, auch das Medien-Fasten nicht; es möge uns (wieder) froh machen!

Es mag uns einen Anlass geben, über die eigene Verwendung der Kommunikationsmittel nachzudenken, kritisch über die Inhalte zu sehen und auch mit dem nötigen Abstand ein Bild der eigenen, vielleicht zum Glück doch nicht so zentralen Position im Sozialen Netz zu gewinnen:

Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden. (Gen 3,19)