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Fenster im Südquerhaus des Kölner Doms von Gerhard Richter. Abbidlung mit freundlicher Genehmigung der Derix Glasstudios GmbH & Co.KG, Taunusstein. |
That [Chamber] at the eastern extremity was hung, for example, in blue -and vividly blue were its windows. The second chamber was purple in its ornaments and tapestries, and here the panes were purple. The third was green throughout, and so were the casements. The fourth was furnished and lighted with orange -the fifth with white -the sixth with violet. The seventh apartment was closely shrouded in black velvet tapestries that hung all over the ceiling and down the walls, falling in heavy folds upon a carpet of the same material and hue. But in this chamber only, the color of the windows failed to correspond with the decorations. The panes here were scarlet -a deep blood color.Poe, The Masque of the Red Death
Die Romantik des 19. Jahrhunderts mit der Begeisterung für das Mittelalter brachte auch das bunte Glasfenster wieder zum Vorschein.
Es gibt spektakuläre Beispiele voll zeitgebundenem Nationalismus, wie etwa die Bayernfenster, die dem Kölner Dom von Ludwig dem I. “gestiftet” wurden, wobei wohl weniger Frankreich, als vielmehr den Kölnern selbst deutlich gemacht werden sollte, wohin sie sich zu orientieren hatten – ganz gleich auf welcher Seite des Rheins sie lebten. Irronie des Schicksals, dass ausgereichnet Ludwig der einzige deutsche Monarch war, der bei der Revolution 1848 zurücktreten musste – just dem Jahr, in dem die Bayernfenster eingeweiht wurden.
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Glasmalerei hat es in der Kunstgeschichte selten über das Niveau des Kunsthandwerks geschafft. Zu schrecklich sind auch die Schwundstufen – Butzenfenster mit Pferdegespann im derben Wirtshaus der 30er Jahre, oder gothisch-nationaler Kitsch wie die oben erwähnten Fenster in Köln.
Nach dem Ende des Mittelalters konzentriet sich die Architektur auf das “natürliche” Sonnenlicht. Fenster dienen jetzt nicht mehr als eigenständige Kunstschöpfung sondern sind fester Teil des Gebäudes. Die inszeniert mystische Atmosphäre der alten Kathedralen steht regelrecht im Gegensatz zum grandiosen Theater der Bauwerke des Barock und schließlich passt das künstlich-bunte Licht nicht zum wachsenden Wunsch einer unmittelbaren Erfahrung eines höheren Sinnes in der Natur, wie er sich seit dem 17. Jahrhundert, nicht nur durch die Landschaften Claude Lorrains ausgeprägt hat:
I know that others find you in the light,
That sifted down through tinted window panes.
And yet I seem to feel you near tonight,
In this dim, quiet starlight on the plains. (Lomax, Lomax, Spencer, Rogers)
Die metaphorische Bedeutung von Licht hatte sich verändert. Dadurch kommen wir aber zu einem wichtigen Aspekt von gestalteten Glasfenstern: sie waren nicht (nur) Teil der Architektur sondern vielmehr Medien, geschaffen, um darin zu lesen.
Die frühesten erhaltenen bemalten Glasfenster finden sich im Dom von Augsburg: drei Propheten, wohl aus einer größeren Serie, ca. 1060 n. Chr. Material und Darstellungtyp sind bereits voll ausgeprägt, wie wir sie aus den folgenden vier Jahrhunderten kennen. Kleine, gefärbte Glasstücke, die mit Bleibändern zusammengesetzt werden, teilweise mit Zeichnungen in brauner Emailfarbe oder mit Silberpigment bedeckt.
Die mittelalterlichen Fenster sprechen auf mehrere Bedeutungs-Ebenen:
Zunächst dienen sie als Armenbibel, d. h. als bildhafte Darstellung theologischer Inhalte für die Besucher der Kirche, die in dieser Zeit ja in der Regel nicht lesen konnten.
Die zweite Ebene ist ein Bild vom “himmlischen Jerusalem”. Zunächst natürlich überwältigt es die mittelalterlichen Menschen, die außerhalb der Kirche so gut wie nie andere Farben als Braun, Grün und Himmelblau zu sehen bekamen. Aber das bunte Glas ist nicht nur Inszenierung, es hat auch einen theologischen Aspekt, der sich aus der Vision des Hesekiel und aus der Apokalypse herleitet:
Und über dem Himmel, so oben über ihnen war, war es gestaltet wie ein Saphir. (Hes 1,26)
* Und vor dem Stuhl war ein gläsernes Meer gleich dem Kristall. (Apo 4,6)
* Und ihr Licht war gleich dem alleredelsten Stein, einem hellen Jaspis. (Apo 21,11)
* Und der Bau ihrer Mauer war von Jaspis und die Stadt von lauterm Golde gleich dem reinen Glase. (Apo 21,18)
Das bunte Glas der Kathedralen war ebenso kostbar und teuer wie echte Edelsteine. Tiefes Rot, sogennanten Goldrubin, erhielt man etwa durch Beimischung von nanoskopischen Goldpartikeln. Deshalb wurde in der Gothik das Glas auch nicht als bloßer Ersatz von echten Edelsteinen gesehen. Den Edelsteine wurde ihre Bedeutung ebenso wie dem bunten Glas wegen ihrer farbigen Durchsichtigkeit zugeschrieben.
Die Durchsichtigkeit eröffnet die dritte, spirituelle Bedeutungsebene: dem Licht selbst wird die Farbe und auch der Inhalt der Glasbilder eingeschrieben, es wird dadurch verändert, vergleichbar zum Weihwasser. Diese Vorstellung einer “Licht-Taufe” ist sicherlich das Eigentümlichste an der mittelalterlichen Glaskunst. Deren spektakulärste Beispiel ist meiner Meinung nach die Sainte Chapelle in Paris.
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Wie eingangs bemerkt, war die Renaissance der Glasfenster im 19. Jahrhundert vollständig ekklektizistisch und zeigt kaum Eigenständigkeit – von subtilen, spirituellen Bedeutungsebenen wie im Mittelalter ganz zu schweigen.
Erst im 20. Jahrhundert entstehen wieder Glasschöpfungen die zu Recht als Kunstwerke angesehen werden können.
Naheliegend werden viele dieser Werke in Kirchenbauten eingesetzt: Le Corbusiers Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp besitzt viele kleine, bunte Fensterchen, allderings fehlt hier der Charakter eines Mediums – die Scheiben bleiben architektonische Dekoration.
Anders sieht es bei den wundervollen Glasklebebildern von Rupprecht Geiger aus, sakral, wie das Tauffenster in der Evangelischen Apostelkirche in Stockdorf oder profan, wie im Treppenhaus in der Technischen Universität München (Theresien- Ecke Luisenstraße). Geiger gelingt es, ohne jeden Ekklektizismus eine abstrakte Ausdrucksform in seinen Glasfenstern zu finden.
Auch das Fenster im Südquerschiff des Kölner Doms von Gerhard Richter besitzt wieder die differenzierten Bedeutungsebenen. Die Farbigkeit ist schon in der Herstellung der Gläser direkt den gothischen Fenstern angelehnt. Eine Armenbibel für Analphabeten, das macht Richter klar, braucht es in unserer Welt technisch reporoduzierter, scheinbar objektiver Bilder nicht mehr und hebt sich damit vom üblichen, an Holzschnitte von Ernst Barlach erinnernden Sakral-Kitsch ab. Die menschlichen Worte und Bilder treten vollständig zurück. Es wird nichts abstrahiert, nichts aus der Wirklichkeit ins Bild übertragen. Die Farbflächen sind in jedem der Felder rein zufällig angeordnet, die Felder selbst aber zueinander spiegelsymmetrisch. In dieser globalen Symmetrie löst sich der lokale Zufall auf. Dadurch kommt im überirdische Farbenspiel der Aspekt der gothischen Licht-Mystik wieder vollständig zum Vorschein.
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Ein Glasbild aber markiert regelrecht einen Wendepunkt zwischen den Epochen: das Große Glas von Marcel Duchamp von 1923. Es ist der Angelpunkt für Duchamp selbst und steht wie kaum ein anderes Kunstwerk für das ganze 20. Jahrhundert.
Der Originaltitel dieses wichtigsten Glaskunstwerks der Neuzeut lautet:
“Eine Jungfrau, von ihren Bräutigamen entkleidet, genau das.”
“La mariée mise à nu par ses célibataires, même”
Kunst, die Machine Célibataire, die Junggesellenmaschine.