So schön auch die Gärten angeleget sind, ist doch ihre Schönheit wie todt, wenn keine Springbrunnen oder andere Wasserkünste darinnen sind.
(August-Charles d’Aviler, “Von der Verzierung der Gärten”, 1699)
Wir pflegen auf diesem Blog einen eher weiten Medienbegriff. Auch wenn es pensionierten Deutschlehrern und Krypto-Nationalisten ein Dorn im Auge sein mag – wir bleiben bei dem Lehnwort Medium, diesem “Gastarbeiter der Sprache“, der sich nur höchst plump und kaum verständlich durch Überträger oder Mittler ins Deutsche übersetzen ließe. Medien sind für uns alle möglichen Erweiterungen menschlicher Sinne, wie McLuhan das in der Formel “Extensions of Man” gefasst hat. Alles, was der Mensch in der Gegenwart verwendet und in der Vergangenheit verwendet hat, um sich auszudrücken oder um wahrzunehmen, ist für uns Medium genug.
Dazu gehören offensichtliche Medien wie Zeitungen, Zeitschriften oder Onlinedienste, aber auch nicht offensichtliche Medien wie Panoramen, Architektur oder die Haute Cuisine. Sogar die Fontäne hat mediale Eigenschaften. Wer meine Twittermeldungen verfolgt, hat vielleicht mitbekommen, dass ich derzeit mit dem Gedanken spiele, das defekte Steigrohr des Bassins in meinem Garten zu ersetzen. Aber bevor sich ein Nerd an so eine Arbeit macht, wird zunächst einmal die Literatur zum Thema gesichtet. Dabei gilt eine Art impliziter geisteswissenschaftliche Imperativ: “Verrichte jede Tätigkeit so, dass sie zur Grundlage einer Dissertation werden könnte.”
Für mich ist der Medienbegriff in erster Linie eine Werkzeug, präziser: eine Sonde. Man sieht bestimmte Dinge, wenn man Phänomene *als* Medien betrachtet und analysiert. Ob es in Wirklichkeit Medien *sind* oder nicht, ist für mich eher irrelevant. Alles was zählt ist, dass man sie als Medien benutzen und betrachten kann.
Zurück zur Fontäne. Das kunstvolle Wasserspiel ist schon länger ein sterbendes Medium. So bemerkt der Münchner Architekt und Zeichenlehrer Hermann Mitterer 1833 in seiner postum erschienenen Anleitung zur Hydraulik für praktische Künstler und Werkmeister mit vorzüglicher Hinsicht auf das Brunnenwesen:
Die springenden Strahlen wurden vormals als eine vorzügliche Zierde der Gärten angesehen, und kein Garten konnte damahls ohne springende Wässer angelegt werden; in unsern Tagen aber, wo die englische Gärtnerey die vormahlige Französische oder symetrische verdrängt hat, sind diese Kunstwerke fast gänzlich außer Anwendung gekommen. Was noch zum Teil besteht, sind die ganz dicken, und sehr hohen Wasserstrahlen, die sich in einigen fürstlichen Lustschlösschen befinden.
Auch hier also wiederholt sich die oben erwähnte Kritik an Anglizismen, wenn auch bezogen auf landschaftsgärtnerische statt sprachliche Anglizismen. Der Vergleich der Fontäne mit Kunstwerken weist in diesem Ausschnitt aus einem technischen Lehrbuch – der Hauptteil des Textes bezieht sich auf die Berechnung des notwendigen Rohrdurchmessers – schon in die Richtung eines medialen Verständnisses des Wasserspiels und die “englische Gärtnerey” bezeichnet eine Formensprache.
Auf die Medientheorie trifft man in den physikalischen Springbrunnenschriften des späten 18. Jahrhunderts ebenfalls wie etwa in dem Physikalischen Wörterbuch von Johann Gehler, in dem sogar einer der medienwissenschaftlichen Lieblingsbegriffe vorkommt:
Die Theorie der Springbrunnen ist höchst einfach und lässt in ihren Elementen leicht auf die Gesetze und Erscheinungen der communicierenden Röhren zurückführen […] Man drückt diesen Satz auch wohl so aus: das Wasser steigt so hoch, als es fällt.
Die Theorie gleitet hier ab ins Philosophische. Doch wie sieht’s mit der Praxis aus?
Blickt man etwas weiter in die Vergangenheit, zum Beispiel in die Ausführliche Anleitung zu der ganzen Civil-Baukunst des französischen Hofbaumeisters und Vignolisten Augustin-Charles d’Aviler gegen Ende des 17. Jahrhunderts, dann eröffnet der Blick auf die Funktion des Wasserspiels im französischen Garten.
Es geht um das System, die gesamte Grammatik der Gartenbaukunst, in die sich “Springbrunnen oder andere Wasserkünste” einfügen müssen, denn “es stehet zwar ein kleines Bassin in einem grossen Luststück lächerlich; aber eben so ungereimt kommet ein grosses heraus, welches den grösten Theil von dem Luststück einnimmet”. Auch ein zu hoher Trieb bei einem zu kleinen Becken – die runde Form ist zwar die gemeinste, aber zugleich die schönste – ist zu vermeiden, so dass “der Wind das Wasser nicht darüber hinaus treiben kan”. Man denkt zunächst an Gärten, die mit natürlichen Wasserquellen gesegnet sind und womöglich sogar eine Hanglage besitzen, aber auch im Falle eines trockenen, ebenen Gartens sind Wasserkünste möglich:
An Gärten, denen der Platz und das Wasser so vortheilig nicht liegen, kan man das Regenwasser samlen, oder Brunnen graben, und durch Pompen in die Höhe treiben, oder mit Druckwerken.
Regen gibt es hier zur Zeit in der Münchner Schotterebene bei weitem genug. Aber das Bassin ist nicht rund, sondern achteckig und nicht besonders groß. Vielleicht wird es dann doch nichts mit den munter zu Lullys musikalischen Wasserspielen springenden Künsten, sondern eher ein dicker englischer Wasserstrahl.