Am Wochenende entspann sich im deutschen Blätter- und Pixelwald ein Aufruhr, der sich um den Hashtag #hoodiejournalismus herum bewegt. Ich wunderte mich zwar sonntags, warum meine Twitter-Timeline sich selbst so häufig in Kapuzenshirts ablichtete, ging der Sache aber zunächst nicht auf den Grund (man muss ja nicht jedes Mem und jedes Gate mitnehmen, außerdem sonntags, digitaler Arbeitsschutz…). Schließlich erreichte mich die Sache mit dem Hoodiejournalismus doch noch.
Die Kurzzusammenfassung lautet: Die Süddeutsche Zeitung erwägt Stefan Plöchinger, den Leiter der SZ.de in den Kreis der Chefredaktion aufzunehmen. Die ZEIT berichtet am Donnerstag über SZ-interne Widerstände, die es dagegen gäbe. Die FAS veröffentlicht am Sonntag einen Kommentar dazu. Er endet mit den Sätzen: “Wobei ja vielleicht wirklich nichts dagegen spricht, einen Internetexperten in die Führungsriege der Zeitung zu holen. Wäre es aber dann nicht sinnvoll, auch einen Journalisten in die Chefredaktion von “Süddeutsche.de” zu holen?”. Womit die Begriffe “Internetexperte” und “Journalist” als sich gegenseitig ausschließende Bezeichungen verwendet werden. Da der internetaffine Journalist Plöchinger im ZEIT-Beitrag als Kapuzenpulliträger dargestellt wurde, erhebt sich im digitalen Kulturraum von Twitter ausgehend ein Solidaritätsrauschen. Mit dem Stichwort #hoodiejournalismus posten Journalisten, Redakteure, Radiomoderatoren, Blogger und sonstige sich selbst im Selfie mit Kapuzenpulli.
Bei näherem Hinsehen entpuppt sich also der #Hoodiejournalismus tatsächlich als sehr interessantes Phänomen – das vor allem eines zeigt:
Die Gräben zwischen Print- und Online-Journalismus sind noch längst nicht zu. Im Gegenteil: Sie klaffen noch sperrangelweit auf.
Eigentlich überrascht mich das. Unser Slow Media Manifest – die Schaffung medienübergreifender Kriterien, der Entwurf eines dritten Weges jenseits von Alarmismus und Apologetik im Mediendiskurs – haben wir aus Unwillen über die unkonstruktiven Grabenkämpfe zwischen Pixel und Papier geschrieben. Das war 2010. Das ist eine Weile her.
Und doch scheint noch alles beim Alten zu sein. Der Kampf zwischen Print und Online, den manche als Generationskampf missverstehen, ist nach wie vor ein Kampf zwischen alten und neuen Ansätzen. Die Ritualisierung dieses Kampfes verhindert, dass sich etwas verändert. Bei differenzierter und unideologischer Betrachtung würde man festellen, dass keineswegs alles an bisherigen Konzepten überholt ist, noch dass alles am Neuen Segen bringt.
Fließt alles oder gelingt es uns, dass alles beim Alten bleibt? Auch dies eine Grundfrage der Debatte.
Die Kollegen Blumtritt und Köhler mit Hoodie
In diesem Blog haben wir uns viel mit dem Selbstverständnis des Journalismus und dem Print/Online-Diskus befasst.
Da sie offenbar nach wie vor aktuell sind, hier eine kleine Parade unserer Beiträge zum Thema:
Benedikt Köhler: Der umgekehrte Turing-Test (16.3.2010)
Benedikt Köhler: Es gibt kein digitales Altpapier, oder: Die große Chance der Verlage im Web (14.1.2012)
Jörg Blumtritt: Das letzte Aufgebot
Sabria David: Wo verläuft die Grenze? (26.4.2010)
Sabria David: Tatorte, Gräben und drei Fragezeichen (2.4.2012)
Sabria David: “Jenseits der Grabenkämpfe. Eine Gesellschaft im Wandel.” In: “Öffentlichkeit im Wandel. Medien, Internet, Journalismus”. S. 9-12. Herausgegeben von Heinrich Böll Stiftung. Mai 2012.
https://www.boell.de/sites/default/files/Endf_Oeffentlichkeit_im_Wandel_kommentierbar.pdf
Sabria David: Avantgarden, Halbwertszeiten und eine hochgezogene Augenbraue (14.5.2010)