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Seit kurzem gibt es eine weitere russische Übersetzung unseres Manifestes. Sie ist mit einem – wie ich finde – großartigen Bild illustriert, ein Foto (wohl eher: eine Fotomontage), die echt und natürlich wirkt und irritierend zugleich. Eine fliegende Schildkröte. Sie fliegt wirklich: Weil sie tatsächlich echte Flugbewegungen macht. Nur dass Schildkröten diese echten Flossen/Flügelbewegungen üblicherweise nicht in der Luft machen, sondern unter Wasser, in den Tiefen des Meeres. Alle kennen wir die Bilder von durchs Blau schwebenden Schildkröten. Daher die Vertrautheit des Motives, die durch den veränderten Kontext befremdet. Diese Befremdung ist bei genauerer Betrachtung eine doppelte: Denn schon die echten Flossenbewegungen unter Wasser irritieren, weil sie den Betrachter so frappierend ans Fliegen erinnern. Es handelt sich also bei besagtem Bild im Grunde um die Rückprojektion einer Bewegung von den Meerestiefen in luftige Höhen – eine geniale Motivmechanik.
Dieses Bild ist Grund und Anlass genug, ein wenig Rückschau zu halten auf die inzwischen stattliche Tradition der Slow Media-Illustration. Denn: Das redaktionelle Konzept der rezensierenden Medien verlangt verschiedentlich nach Abbildungen. Aber wie bitte bildet man ein Thema wie Slow Media ab?
Einige Tage zuvor hatte bereits eine russische Publikation folgendes Motiv aus dem Hut gezaubert:
Interessant daran ist – neben der Tatsache, dass es sich hierbei auch um eine (zumindest halbe) Schildkröte handelt – das Motiv der Wandlung. Im Moment des Sprungs verwandelt sich die Schildkröte in ein Kaninchen. Ob damit wohl die Domestizierung der Medien gefordert wird? Oder zumindest die Zähmung einzelner Medien? Und: Ist es eine Verbesserung von einer Schildkröte zu einem Kaninchen zu werden?
Dem Schildkrötenmotiv liegt vermutlich das Emblem zugrunde, das wir ursprünglich als Motiv für unser Slow Media Camp in Böblingen gewählt haben. Es zeigt eine geflügelte Schildkröte. Die Schildkröte hat in der Slow Media Rezeptionsgeschichte zunehmend die ursprüngliche Bild-Assoziation “Schnecke” abgelöst.
So illustrierte Bruder Richard Maria Kuchenbuch seinen Beitrag “Wird das Internet benediktinisch?” mit einer benediktischen Schnecke:
Uni.de wartete mit der Variante “Schnecke auf Maus” auf (honni soit qui mal y pense):
Und Heute.de entschied sich für die Version “Schnecke auf Tastatur”:
Die Slow Media Bilderstrecke bei 1LIVE hingegen wurde angeführt von einer gescribbelten Prozessionsschnecke:
Während Nilesh Zacharias in seinem Blog die Schnecke als Verkehrszeichen plaziert:
Womit wir bei einer weiteren Motivgruppe wären, der Verkehrgeschwindigkeit. Sie unterteilt sich in die motivgeschichtlich verwandten Unterkategorien “Bodenbeschriftung”, “Verkehrszeichen” und “Sonstige”.
Hierzu einige Beispiele:
In dem Beitrag “Slow Media als einen Beitrag zur höheren Kundenorientierung” finden wir diese Abbildung:
Auf gleicher Linie liegt dieses Beispiel aus einem italienischen Blog:
Der Unterkategorie Verkehszeichen gehört das Bild an, das unser Interview bei den Netzpiloten zierte:
Ähnlich operiert der Dissentertainment-Blog, zudem garniert mit einem Don Quichote-Zitat:
Sogar Slow Media Skepsis lässt sich motivlich mit Verkehrsmitteln ausdrücken:
Zur Verkehrsunterkategorie “Sonstige” gehört möglicherweise auch die Slow Media Illustration des WDR5 Funkhaus Wallrafplatz: Handelt es sich hier um die Visualiserung einer Datenautobahn?
Andere Illustrationen stehen für sich und sind keiner Gruppe zuzuordnen. So zum Beispiel das Near Future Laboratory, das mit einer Konstruktionszeichnung des hauseigenen “Slow Messengers” illustriert:
Einen ganz anderen und ganz und gar untechnischen Ansatz wählt Joe Grobelny in seinem Beitrag „Slowness, Silence, Plants, and why I took Facebook off of my Iphone“:
Und manches sieht auch völlig ohne Illustration einfach nur cool aus:
Das wäre dann, nun ja, slow media beyond iconography…
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Nachtrag:
Da habe ich heute Nachmittag doch glatt bei der Rezeptionsgeschichte die Skandinavier vergessen. Dabei haben sie eine so schöne eigene Bildsprache – weniger Verkehrwesen, weniger Tier, dafür mehr Mensch und Körper… Bitte sehr:
Ein Mensch, ein Buch – das ist für diesen norwegischen Beitrag Slow Media (“Kvalitet” und “konsentrasjon”):
Und ein körpersprachlich sehr schönes Bild für die Ich-Erschöpfung, die Slow Media notwendig macht, findet die Ankündigung zu unserem Interview mit dem norwegischen Rundfunk: