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Architektur Kunst

Hausgäste

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Ein erster, persönlicher Bericht vom Piemonter Share Art Festival in Turin

“Let us invite you to bring the family, the grandparents and the children, and sit on our open-source furniture, relax, even eat something. Fill a wine glass with tomorrow.”
Bruce Sterling

ShareEin Jahr ist es her, dass ich nach Turin gereist bin, um der Eröffung der ‘Casa Jasmina’ beizuwohnen, einem Musterhaus für digitale Open Source Haushaltstechnologie. Durch Bemerkungen bei Vorträgen hatte ich von Bruce Sterling, dem Initiator des Projektes davon erfahren. Wie viele ‘Cyber-Kinder’ war ich Bruce und seinen Gedanken über dreißig Jahre lang mehr oder weniger lose gefolgt. Auch wenn ich immer wieder einige seiner Ideen inspirierend fand, sie in meine Vorträge oder Blogposts eingebaut habe, war es erst sein Buch “Shaping Things“, mit dem ich wirklich etwas für meine Arbeit anfangen konnte. Shaping Things ist ein schmales Bändchen, eher ein Essay. Es war, soweit ich weiß, die erste umfassende Betrachtung, was wirklich passieren würde, wenn die Digitalisierung sich aus der Gefangenschaft des Web befreien und die Welt der physischen Dinge erobern würde, um daraus das ‘Internet of Things’ entstehen zu lassen. Aber vor allem sprach er davon, wie Dinge dann beschaffen sein müssten, um “freundlich” zu bleiben, gutmütig, trotz des totalitären Wesens gobaler Vernetzung und lebensumfassender Datenerhebung.

In Form der Casa Jasmina hatte Bruce angekündigt, gemeinsam mit Jasmina Tešanović, der Namensgeberin der Casa, seine Designtheorie in die Praxis eines wirklich bewohnbaren Hauses zu übersetzen. Es ist eine Sache, über Dinge zu schrewiben, eine ganz andere aber, etwas derartiges in der körperlichen Welt zu bauen, mit allen Einschränkungen, die die Conditio Humana einem dabei auferlegt. Es ist also wenig überraschend, wenn die ‘Casa’, die ich an ihrem Eröffnungstag vorfand eher ein Resonanzraum für unsere Visionen und Erwartungen war, als ein tatsächliches Heim.

Heute, ein Jahr später, hat sich die Casa Jasmina zum offiziellen Veranstaltungsort des Piemonte Share Art Festival entfaltet. Luca Barbeni, der das Share.to seit seinem Start 2006 kuratiert hatte, war nach Berlin ausgewandert, um dort seine NOME Gallery zu gründen, und Bruce Sterling war an seine Stelle als künstlerischer Leiter getreten, um das Festival in Turin gemeinsam mit dessen Co-Gründerin Chiara Garibaldi zu leiten. Dabei sollten sie illustre Unterstützung erhalten, wie etwa von Paola Antonelli, Kuratorin am New Yorker MoMA oder Astronauten-Star Samantha Cristoforetti. Und passend zum Ort legte Bruce fokussierte Bruce die Ausstellung auf “Kunst und Technologie für zu hause”.

Die ‘Casa’ und ihre Bewohner sind ausgesprochen gastfreundlich, und das Willkommen, das wir dieses Mal erleben durften, stand vergangenen Besuchen in nichts nach. Moderne Kunst hatte von Anfang an mit dem Häuslichen zu kämpfen – die meisten zeitgenössischen Kunstwerke sind schlichtweg ungeeignet für normale häusliche Verhältnisse. Diese Eigenschaft hat die Kunst mit Digitaltechnik gemein. Obwohl die meisten Leute “Computer”, ehedem PCs, heute Smartphones und Tablets auch zu hause nutzen, sind diese Geräte nie zu einem integrierten Teil der Haushaltsausstattung geworden. Unsere Digitaltechnik ist unverändert eher Teil unseres Outfits, mehr Accessoir als Haushaltsgerät. Es ist teilweise der überheblichen Anmaßung geschuldet, in der beide – Tech und Kunst – alle Aufmerksamkeit verlangen, ihre apodiktische Moral verkünden, wodurch meiner Ansicht nach beide so schwer erträglich sind, wenn wir sie in den beschränkten Platz unserer vier Wände zwängen. Jasmina Tešanović hat ihre Klage darüber in ihrem flammenden Manifest “Die sieben Wege des Internet of Women Things” zum Ausdruck gebracht, dessen Übersetzung wir ebenfalls auf diesem Blog veröffentlicht haben.

“House Guests” ist der Titel der Ausstellung, und entsprechend geht es hier mehr um das bequeme Zusammenleben von Kunst, Technologie und Menschen, als um Kunst an sich. (Daher möchte ich eine Kritik der Kunstwerke auch auf einen späteren Artikel vertagen).

Video art from seditionart.com displayed on iPads in a frame. Here: Rose Throb by Claudia Hart.
Video-Kunst von seditionart.com auf iPads in einem Ramen. Hier: Rose Throb von Claudia Hart.

In der Ausstellung finden sich zweierlei unterschiedliche Formen von Kunstwerken: Physische Objekte und Videos. Acht Videos, die aus der Online-Kunstplattform seditionart.com stammen, laufen auf weißen iPads, die an der Wand hängen. Diese acht Videos sind nicht interaktiv, lediglich Bewegtbild. Es wäre also genauso gut möglich gewesen, sie einfach der Reihe nach auf einem Laptop laufen zu lassen, an die Wand zu beamen, oder sie auf irgendeinem digitalen Bildschirm zu zeigen. Stattdessen waren die einzelnen iPads in schwarze Halskrausen gerahmt, die Größe etwa die doppelte Bildschrimdiagonale, ähnlich dem bürgerlichen Tafelbild. Die Schwierigkeit mit Video-Bildschrimen, und speziell mit den Bildschirmen von Mobilgeräten wie den iPads ist die totale Beherrschung des Inhalts darauf durch das Medium. McLuhans Beobachtung gilt unverändert, dass Dinge im Fernsehen zu allererst TV sind, und erst in zweiter Linie, wenn überhaupt, der Inhalt, wie etwa ein Spielfilm oder Nachrichten. Diese mediale Festgelegtheit gilt in viel geringerem Maße für Gemälde, Zeichnungen, Drucke oder Skulptur, für die ihr Materia lediglich ein Aspekt eines größeren Ganzen darstellt. Und trotz ihrer voluminösen Krägen haben auch die iPads in der Casa Jasmina nicht viel von ihrer hypnotischen Qualität verloren. Die Kunst darauf verblasste unter dem wunderschönen Flimmern ihrer brillianten Technologie. Diese pornografische Dominanz des Mediums ist auf jeden Fall ein Thema, mit wir uns bei Kunst im digitalen Zeitalter auseinandersetzen müssen.

Catharina Tiazzoldi, Algorithmic Domesticities
Catharina Tiazzoldi, Algorithmic Domesticities
Verglichen mit dem Solipsismus der Videos ging es bei den physischen Objekten sehr viel mehr um wirkliches Zusammenleben. Tischtücher mit algorithmischem Design, Teller mit Dekor, vom Quantified Self inspiriert, Musikinstrumente auf Basis von Microsoft Kinect: Alle möglichen Formen von “zahmer Technologie”, die sich unter die bereits in der Casa vorhanden Gegenständen aus dem Maker Space im Nachbarhaus mischten. Der Anspruch der Kunst in der Casa Jasmina ist nicht hoch, und wir bekommen keine Kunstrevolution verkauft. Während etwa die kürzlich verstorbene Zaha Hadid und ihr Partner Patrik Schumacher den Parametrizismus als das zukünftige Paradigma von Architektur, Design und der ganzen Menschheitskultur schlechthin erklären, gehen die Objekte in der Casa Jasmina eher spielerisch mit den neuen, kreativen Möglichkeiten um, als die nächste Große Erzählung abzuliefern.

AL.TIP slr, Semaforo.A night lamp in maker design.
AL.TIP slr, Semaforo.
Eine Nachttischlampe im Maker Design.
Bei der Kunst in der Casa Jasmina geht es also nciht so sehr um Kunst, sondern um das heimische Haus. Das eigentliche Kunstprojekt ist die ganze Casa selbst, mit allem, das dort von Anfang an stattgefunden hatte. Wie Bruce damals gefordert hatte: Es geht darum, menschliche Werte in technische Gegenstände einzubetten. Gemeinsam mit dem Schöpfer des Arduino Massimo Banzi kämpft Bruce für eine ethische Technologie, die er vor kurzem in einem “IoT Manifest” zusammengefasst hatte: Dinge sollen offen bleiben und einfach zusammenarbeiten. Auch wenn die Sstandardisierung der Benutzeroberfläche der Smartphones einen klarer Vorteil der Produkte von Apple darstellt, so möchte doch wohl kaum jemand erleben, dass die Vielfalt der Kunst durch bevormundende Sterilität eines iTunes Store planiert wird. Eng damit ist die zweite Forderung verbunden, die Nachhaltigkeit. Was nützt eine LED-Lampe zwanzig, die Jahre lang brennen könnte, wenn die Software darauf, die sie “Smart” machen soll, nach zwei Jahren veraltet ist und die Lampe vielleicht sogar unbenutzbar macht? Die geplante verkürzung der Lebensdauer von Hard- und Software war von Anfang an ein Geschäftsprinzip in Silicon Valley. Dabei geht es hier nicht einfach nur um Öko-Lamento, wie neulich erst eindrucksvoll von Google bewiesen wurde, als ältere Gerate der Marke ‘Nest’ ferngesteuert unbenutzbar gemacht wurden, um deren Besitzer zu zwingen, sich neue zu kaufen. Die dritte Forderung ist Fairness. Technologie darf die Menschen nicht ausspionieren. Ich glaube, diese Forderung kann nur verwirklicht werden, wenn wir zentralistische Strukturen für die vernetzte Technik verhindern. Nur wenn wir es schaffen, Netze aus dezentralen, verteilten und autonom funktionierenden Geräten zu spannen, werden wir unsere Privatsphäre zu hause verteidigen können.

Für viele Menschen hat sich zeitgenössische Kunst schon längst aus ihrem Leben verabschiedet – intellektuell abgehoben, einzig der hermetische Ausdruck der Künstlerpersönlichkeit, abgeschlossen und geschützt durch Urheberrecht und geistiges Eigentum – Bitte nicht berühren! Digitaltechnologie entzieht sich ebenfalls unseres Zugriffs. Wen wir die glänzenden Gehäuse der digitalen Geräte öffnen, verwirken wir die Garantie. Die Kunst und Technik in der Casa Jasmina ist offen, freundlich, eine einfache Hausgenossin. Man könnte sagen, dass es ihr an der großen Geste fehlt; sie ist nur komfortabel. Vielleicht ist das aber genau der Punkt. Wir werden wieder interessant gestaltete häusliche Gegenstände bekommen, die nicht einfach nur designte Markenprodukte sind, sondern maßgefertigt an ihre Besitzer angepasst, die ihre Gemachtheit sehen lassen, statt sie ellegant zu verschleiern. Was wir erleben, ist der Aufstieg einer neuen Arts&Crafts-Bewegung. Wie ihr Vorläufer vor 120 Jahren, steht auch Neo-Arts&Crafts gegen den glatten Perfektionismus der industriellen Massenfertigung, und ebenso wie damals, nicht in einem Rückschritt zu vorindustrieller Handwerklichkeit, sondern unter Ausnutzung der neuen Methoden und Werkzeuge unserer Zeit. Und im Gegensatz zum Maker Movement, aus dem sie hervorgegangen war, wird es bei Neo-Arts&Crafts weniger um Technolgie gehen, und viel mehr um Handwerkskunst. Diese Art Nouveau heißt auf deutsch Jugenstil oder Reformstil. Bei der Reform ging es darum, wieder eine bewohnbare Umwelt zu schaffen, in der Menschen ein glückliches und gesundes Leben führen konnten. Wenn Neo-Art-Nouveau ähnlichen Zielen folgen sollte, indem sie offen, nachhaltig und fair ist, bin ich überzeugt, dass sie sich durchsetzen wird. Weit mehr als der Parametrizismus und andere akademische Konzepte, die Kunst wieder zu erfinden, hat diese Kunst das Potenzial ein wesentliches Paradigma der Post-Internet Kunst zu werden.

Und jetzt will ich mehr davon sehen!

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Slow theory

Casa Jasmina

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“We must put human values into things, we must beware of the clashes among things. A smart house can clash with a happy house. The thoughtless convenience of seamless design can clash with the need for control and dignity. The users clash with the people. Our geek hood clashes with our personhood.”
Bruce Sterling

Casa Jasmina

Casa Jasmina wurde am 6. Juni feierlich in Turin eröffnet. Es ist das erste “Connected Home”, das vollständig Open Source laufen wird.

The Internet of Things

Smart Home -vernetzte Haushaltsgeräte und computergesteuerte, vernetzte Haustechnik, Connected Car – Autos, die als kybernetische Systeme teilweise oder demnächst sogar vollständig automatisch fahren, Wearable Technologie – Messtechnik, die wir direkt am Körper tragen, als Smartwatch, Armband oder als Smart Textile, und schließlich die Smart City, eine weitgehend vernetzte, datengesteuerte Stadtverwaltung – das alles ist das Internet der Dinge, das IoT. Beim Internet der Dinge geht es keineswegs nur um Maschinen – “Data is made of people”, die wichtigsten Daten liefern ein detailliertes Bild des täglichen Lebens von Menschen. Daher bekommen Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung durch das IoT nochmals mehr Bedeutung. Das Internet of Things wird unser Leben noch stärker durchdringen und vielleicht noch stärker verändern, als das World Wide Web oder das Smartphone es schon getan haben.

Smart Home
Smart Home

Wie ist es, tatsächlich mit Connected Technology zu leben? Mehr als zwei Milliarden Menschen sind bereits über ihr Smartphone mit dem Internet verbunden. Ein Smartphone ist aber tatsächlich ein Plattform, die mehr als zwanzig unterschiedliche Sensoren trägt, Messinstrumente, die ununterbrochen unsere Bewegungen, unseren Aufenthaltsort, die Funkverbindung und viele andere Dimensionen unserer Umwelt aufzeichnen. Diese technologischen Eigenschaften sind allerdings kaum das, was die Menschen tatsächlich erleben, wenn sie ihr Smartphone nutzen. Telefone und Tablets sind in ihrer Erscheinungsform vielmehr ziemlich ähnlich zu Büchern, lediglich mit etwas mehr Funktionen. Wir nutzen unsere Mobiltelefone als Medien, und wir sehen sie dabei kaum jemals als Teil eines “Internet of Things”. Daher ist es alles andere als trivial, den wahrhaftig vernetzten Lebensstil sichtbar zu machen. Und das ist eines der Themen, um das es bei der Casa Jasmina geht: Ein Musterhaus für das heimische Leben unter “Connected Technology”.

Digitaltechnologie hat bereits nahezu alle Bereiche unseres Geschäftslebens wie auch unseres Altags verändert. Und obwohl ich oft gesehen habe, wohin bestimmte Entwicklungen führen würder, war es mir kaum möglich, andere Leute von den Konsequenzen zu überzeugen, die nach meiner Meinung bereits unvermeidlich geworden waren. Und dann schlug der Wandel zu, hinterließ seine Opfer blutend auf dem Feld zurück, oft tötlich verwundet. Ich liebe digitale Technik. Ich liebe Social Media, Suchmaschinen und Wikis. Aber ich beklage, wie einfach wir unseren öffenltichen Raum aufgeben, den so viele Menschen für uns so hart erkämpft hatten. Ich beklage, wie schnell wir den gesellschaftlichen und politischen Einfluss an rein wirtschaftliche Berechnung verlieren. Ich möchte kein einziges bischen mehr hergeben, von unseren öffentlichen Gütern. Das ist der Grund, warum wir vor fünf Jahren das Slow Media Manifest geschrieben haben, und warum wir für Slow Startups eintreten, statt für “Disruptive Technology”. Casa Jasmina zeigt eine Alternative zu proprietären Plattformen im IoT; das ist ihr zweites Standbein.

Casa Jasmina

Auf dem Wired Nextfest 2013 hörte ich Bruce Sterling, eine mögliche Strategie erklären, mit der sich die Technologie-Kultur des Silicon Valley, nicht umsonst als “Plattform-Kapitalismus” kritisiert, kontern ließe: Open Source Luxus. Statt Netzwerkeffekte auszubeuten, über Skalierbarkeit und “Winner-Takes-It-All”-Ökonomie Monopole aufzubauen, spracht er sich für wertebasierte Wirtschaft aus, deren Grundlage die Kunstfertigkeit wäre. Open Source wäre dabei kein Widerspruch zu Luxus. Vielmehr fördert Open Source die Kunstfertigkeit als Merkmal der Differenzierung. Anstatt Menschen in die Nutzung eines Betriebssystems zu zwingen, anstatt sie in Abonnements zu sperren, würde Open Source Luxus sowohl Bequemlichkeit als auch die Wahlfreiheit der Nutzer fördern. Und seit September 2014 verkündet Bruce, wie diese Idee greifbar gemacht werden kann: Durch die Casa Jasmina. Benannt nach Jasmina Tešanović, von der die ursprüngliche Projektidee stammt, fußt dieses erste Open Source Connected Home im Turiner Fab Lab und seinem Arduino-Ökosystem. Es ist ein Feldversuch für den Einsatz jener Technologie, die bald auf die eine oder andere Weise unsere Wohnungen durchdringen wird.

Casa Jasmina wird ein Connected Home mit echten Menschen, die darin wohnen. Es wird nicht einfach ein weiterer Ausstellungsraum eines Technologie-Herstellers oder eines Energieversorgers mit Hochglanz-Ausstellungsstücken, die niemand je benutzen wird. Keine Düsenrucksäche, keine fliegenden Autos, keine sprechenden Kühlschränke mit lächerlicher Unterhaltungselektronik, um die keiner gebeten hat.

Casa Jasmina fußt auf zwei Fundamenten. Als erstes der Arduino, Open Source Hardware die zur führenden Steuer-Plattform für das Internet of Things geworden ist. Der Arduino ist eine echtes Kind des Piemont. Nach seinem Start am Interaction Design Institute in Ivrea, wird der Arduino heute von einem Team um Massimo Banzi in einem kleinen Büro über dem Fab Lab in Turin entwickelt. Und obwohl Open Source ist der Arduino Partner von Elektronikkonzernen wie Intel oder Samsung. Eine große Gemeinschaft trägt zur Entwicklung von Anwendungen bei, die auf den Arduino aufgebaut sind. Gemeinsam mit seinem englischen Gegenstück, dem Raspberry Pi Mikrocomputer, liefert der Arduino eine überaus starke Basis für das Internet of Things.

Die zweite Säule der Casa Jasmina ist Design. Wie Dinge aussehen, wie Dinge mit uns und mit anderen Dingeninteragieren, welche Materialien zum Einsatz kommen, und welche Geschichte die Dinge erzählen -für das, was ein Ding ausmacht, sind diese Aspekte ebenso wichtig, wie ihre technische Funktionalität. Casa jasmina ist auf eine Art auch Design Fiction, das heißt Design, das uns vorführt, wie sich anfühlt, was möglicher Weise kommen wird. Aber im Gegensatz zu normaler Design Fiction wird die Casa Jasmina Objekte beherbergen, die tatsächlich benutzt werden sollen, oder die Ausgetascht werden müssen, falls sie sich nicht gut nutzen lassen. Dinge zu entwerfen, die tatsächlich funktionieren ist etwas ganz anderes, als nur ein beeindruckendes Ausstellungsstück abzuliefern. Auch wenn die Dinge, die es in der Casa Jasmina zu sehen gibt, ausgefallen daher kommen, müssen sie dennoch für die Bewohnern des Hauses funktionieren, und nicht nur gerade solange halten, bis sich die Tore einer Industriemesse wieder schließen.

In der Casa Jasmina

Die Gebäude in der Via Egeo, in denen sich das Fab Lab und die Casa Jasmina befinden, sind Überreste von Turins ruhmreicher Vergangenheit als Zentrum der Schwerindustrie.

Und jetzt gibt es sie, dort, in der Via Egeo Nummer 16. Die Architektur der Casa Jasmina ist echter italienischer Futurismus: Erbaut in den 1920er Jahren, diente das erste Stockwerk, in dem die Casa sich befindet, als Appartment für Manager bei FIAT, und zwar direkt über einer Stahlgießerei, die sich im Erdgeschoss darunter befand; geplant, um die Trennwände zwischen Privatleben und Industrie einzureißen; was könnte es für das Thema unserer Zeit für eine bessere Metapher geben! Wie von den Futuristen gefordert, aber nie wirklich erreicht, wird das Internet of Things unsere Privatsphäre einschrumpfen, unsere bürgerliche Vorstellung einer unverletzlichen, privaten Wohnung. Aber anstatt diese Entwicklung einfach in den Faschismus münden zu lassen, wir wir den Futurismus in den 1930er Jahren haben enden sehen, haben wir heute die Chance, den Futurismus unserer Zeit auf eine wohltätigere, demokratische Bahn zu stoßen. “Wir müssen menschliche Werte in die Dinge bauen”, wie Bruce Sterling es ausdrückt.

Bruce Sterling and Lorenzo Romagnioli in Casa Jasmina's kitchen.
Bruce Sterling und Lorenzo Romagnoli in der Küche der Casa Jasmina.

Das Äußere der Casa Jasmina sieht für Turiner Verhältnisse immernoch etwas heruntergekommen aus, würde aber sehr wohl für ein durchschnittliches Wohnhaus etwa in Neapel durchgehen. Das Treppenhaus, das zum Piano Nobile des Gebäudes hinauf führt, ist ziemlich eng, und ich schätze, es war ursprünglich eher für Dienstboten und Lieferanten gedacht. Wir betreten die Wohnung durch einen kleinen Vorraum, in Dunkelgrau gestrichen, an dessen einer Wand sich ein programmatischer Text von Bruce Sterling befindet, der die Besucher in das Projekt einführt – ganz so, wie man es in einer Museumsausstellung erwarten würde. Gegenüber davon liegt ein einfaches Badezimmer.

Bookcase by Caterina Tiazzoldi
Bücherregal von Caterina Tiazzoldi

Gerade aus öffnet sich ein geräumiger Korridor mit weißen Wänden, der nach rechts durch hohe Fenster den Blick auf einen Dachgarten freigibt. Links kommt ein kleines Wohnzimmer, das nicht durch eine Wand oder eine Schwelle vom Korridor getrennt ist, sondern durch ein Bücherregal, eine Designstudie von Caterina Tiazzoldi. Eine geräumige Küche öffnet sich dahinter ebenfalls zum Korridor, vom Wohnzimmer durch eine Wand getrennt. Dahinter folgen zwei Räume mit Türen, die als Schlafzimmer dienen werden, wenn die Casa Jasmina schließlich bewohnt werden wird. Am Ende des Korridors führen ein paar Stufen zu einer Wand, an dem ein A0-Poster hängt, das die Allegorie eines ” Internet der Frauen Sachen”.

"IoWT - the Internet of Women Things
“IoWT – the Internet of Women Things

Dahinter mag sich für eine Doppeltüre befunden haben, die vermutlich einst der Haupteingang war. Der Boden in den Schlafzimmern, der Küche und dem Wohnzimmer ist mit wertvollem, kunstvollen Eichenparkett belegt, das irgendwie die langen Jahrzehnte überstanden hat, in denen das Gebäude verlassen und seinem Zerfall anheim gegeben war.

Great confidence in the durability of Open Desk's furniture (also used as makeshift stairs)
Großes Vertrauen in die Haltbarkeit der Möbel von Open Desk (hier als Behelfstreppen im Einsatz).

Die meisten Möbel sind von Open Desk designt, einem Londoner Design Studio, das seine Entwürfe als Open Source veröffentlicht, die sich leicht aus Sperrholz ausschneiden lassen. Die Art, in der Open Desk seine Entwürfe frei verteilt, ist weniger ungewöhnlich, als wir naiv annehmen könnten. Es ist sogar etwas, dass bis vor kurzem völlig alltäglich war. Wenn wir früher zu einem Schreiner gegangen sind, bekamen wir vom Handwerker unterschiedliche Beispileentwürfe gezeigt, die aus Musterbüchern und Katalogen entnommen wurden. Davon hätten wir ein Design ausgewählt und beauftragt, nachdem das Möbelstück schließlich gefertigt worden wäre. Gute Qualität bei Möbeln hängt in keiner Weise davon ab, ob irgendwelches geistiges Eigentum abgesichert wurde. Vielmehr im Gegenteil: Nur massenproduzierte Ware braucht diesen Schutz, da sie nie das handwerkliche Niveau erreichen kann.

Die nicht ganz so smarten Dinge

Marco Biranza's '9 Random Spots' is nice piece of calm technology as art. The color pattern changes, whenever the connected Geiger counter registers an accidental decay.
‘9 Random Spots’ von Marco Biranza ist ein schönes Werk sogenannter ‘Calm Technology’. Die Farbmuster verändern sich dann, wenn ein angeschlossener Geigerzähler einen radioaktiven Zerfall misst.

Die “Smart Things” in der Casa Jasmina sind bisher hauptsächlich Kunstwerke, die mit dem Konzept der Calm Technology spielen. Ein wenig Technik hat auch seinen Weg in die Casa direkt aus dem Regal der Elektronik Supermärkte gefunden. Ein Roomb, ein selbsttätiger Staubsauger, ist zwar nicht vernetzt, aber doch auf seine robotische Weise “smart”. Und dann ist da noch ein Smart-TV Fernseher von Samsung. Just an dem Abend der Eröffnung der Casa Jasmina stand Juventus Turin im Finale der Champions League dem FC Barcelona gegenüber – ein Spiel, dass kein Turiner versäumen durfte. Aber trotz all der Nerds und Geeks, die anwesend waren, gelang es uns nicht, ein TV-Signal auf das Smart-TV zu bekommen. Zu guter Letzt stöpselte ich den Samsung Fernseher an meinen Laptop und degradierte ihn damit zu einem völlig “dummen” Bildschirm für das eigentlich smarte und vernetzte Gerät, das allerdings noch so ganz im 20. Jahrhundert verhaftet ist. Als das erledigt war, gingen die Schwierigkeiten aber weiter. Wir mussten feststellen, dass Mediaset, Italiens dunkle Fernsehmacht, den Stream nur über das Silverlight-Plugin ausspielt – einer Video-Technologie, die so veraltet ist, dass sogar ihre Erfinderin Microsoft den Support schon vor Jahren eingestellt hat. Auf meinem Rechner installierten wir also eine Virtual Machine mit einem zehn Jahre alten Windows, damit wir eine entsprechend antike Version des Internet Explorers darin zum laufen bringen konnten.

My laptop, running Windows XP in a VirtualBox, attached to the "Smart TV" ...
Mein Laptop, auf dem Windows XP in einer VirtualBox läuft, angeschlossen an das “Smart TV” …

Diese lustige Anekdote illustriert, was am “Smart Home” Business falsch läuft, so wie es sich die Unternehmen der traditionellen Unterhaltungselektronik ausmalen. Das Design von Fernsehgeräten ist unverändert seit der Zeit, als es nur ein paar Kanäle gab, zwischen denen man hin und herschalten konnte, und die keinen Bedarf an einer Tastatur hatten, auf der man komplexere Befehle eingeben kann. Noch schlimmer ist das Online-Video Angebot von Mediaset. Getrieben durch den Wunsch nach Kontrolle über die “digitalen Rechte” an den Inhalten, haben sie einfach ihr proprietäres Distributionssystem auf einer lebensunfähigen Technologie aufgesetzt. Falls kritische Infrastrutkur auf so veralteter Software läuft, wird sie leicht zum Sicherheitsrisiko. Man sollte nicht einmal seine Waschmaschine darüber laufen lassen.

Unterhaltungselektronik steht unter dem Ruf, die Industrie mit den schlechtesten Benutzerschnittstellen zu sein, mit dem geringsten Verständnis davon, wie sich Menschen verhalten. Wer jemals versucht hat, die Uhr am Küchenherd zu stellen, weiß, dass die Ingenieure der Elektronikbranche genau auf der anderen Seite des Universums zuhause sein müssen, wie ihre Kunden. Haushaltsgeräte waren schon immer veraltet, Reste übriggebliebener Elektronik, zusammengelötet um ein letztes Mal Geld zu erwirtschaften. Das ist wirklich nicht die Branche, in deren Obhut man gerne seine privaten Daten anvertrauen möchte. Ebensowenig gelten die Versorgungsunternehmen, die schließlich zu den wichtigsten Antriebern des Smart Home zählen, als besonders kundenfreundlich.

Andererseits sind wir mehr und mehr gewöhnt, alle dinge mobil, das heißt auf dem Smartphone zu erledigen. Dienste, die nicht via App auf dem Mobiltleefon erreichbar sind, fühlen sich veraltet und unpraktisch an. Leute, die einmal die Bequemlichkeit der mobilen Welt erfahren haben, werden alle elektronischen Dinge fortan daran benchmarken. Und warum auch nicht? Nur weil die alten Lieferanten unserer Dienstleistungen und Produkte sich nicht nach unserer Nachfrage richten, heißt doch nicht, dass wir darauf verzichten müssen! Sollten wir einfach aufgeben und die altmodischen, ineffizienten Produkte weiter nutzen, die nur unsere Zeit, die Energie und weitere Ressourcen vergeuden?

Open Source

Soll mein Haus von Google Nest oder von Apple Home betrieben werden? Man stelle sich die lächerliche Situation vor, in der man, hat man sich einmal für einen Anbieter entschieden, künftig alle seine Sachen nur noch dort und nirgends anders kaufen kann, weil die proprietären Betriebssysteme sich nicht gegenseitig vertragen. Wir müssten entweder die Smart-Home-Funktionalität aufgeben, oder alle Dinge im Haus auf das eine System abstellen. Es mag einige Marken-Puristen geben, die gedankenlos tatsächlich in so einer Monokultur leben wollen. Für die meisten Leute scheit das aber wenig praktikabel.

cj9Um erfolgreich zu werden, müssen die smarten Geräte nahtlos miteinander zusammenwirken, egal, wer der Hersteller ist. Das ist nicht das Geschäftsmodell von Unternehmen wie Google oder Apple. Offene Standards zur Interoperabilität ist genau das, wofür Open Source steht. Und der Arduino ist ohnehin die ausgereifteste und stabilste Technik für das IoT. Aber Open Source Technologie ist nicht nur besser darin, Dinge zusammenarbeiten zu lassen. Open Source bedeutet, dass man die Dinge hacken kann. Hacken, das heißt, die Dinge zerlegen, auseinanderbauen, verstehen, wie die Dinge und noch wichtiger, wie ihre Software funktionieren. Das ist, soweit ich weiß, der einzige Weg, Dinge wirklich sicher zu machen. Nur was gehackt werden kann, wird wirklich getestet. Nur wenn es eine lebhafte Diskussion über mögliche Sicherheitslücken gibt, und darüber, wie man diese flicken kann, wird diese Technologie für uns sicher werden. Diese Lektion sollten wir inzwischen gelernt haben.

The Internet of Everything

“As Warren Ellis said at ThingsCon, we may be living in the last days when nobody knows where we are — when the home is still like an aristocrat’s castle, distinct from the rest of the world.”
Bruce Sterling

Beim Internet of Things geht es nicht nur um Maschinen, die miteinander sprechen. Die Sensoren in unseren Geräten erzeugen und sammeln Daten, die direkt mit unserem Privatleben verbunden sind, mit unserem Verhalten und der Umwelt, die uns umgibt: “Data is made of people”

Datenschutz, informationelle Selbstbestimmung und Algorithmenethik werden nocheinmal wesentlich wichtiger, da das IoT in Wahrheit eher ein “Internet of Things and Humans” ist, wie Tim O’Reilly es nennt, oder vielleicht noch deutlicher: das “Internet of Everything”. Konzepte wie Big Data oder IoT tragendas Risiko, zum Schlagwort und zur leeren Marketingphrase zu verkommen. Das Marketing- und Techno-Blabla verdeckt dabei, wie alldurchdringend der Einfluss der digitalen Technologie in unserem Leben tatsächlich schon geworden ist. Ein Modell des Smart Home nach menschlichen Maßstäben wird uns helfen, dies wieder sichtbar zu machen. Es wird uns in die Lage versetzen, zu erforschen, wie wir das beste aus dieser wirklich bemerkenswerten Entwicklung gewinnen können, die uns helfen kann, nicht nur unseren Alltag bequemer zu gestalten, sondern auch, ihn sogar erfüllter zu machen, sozialer, und nachhaltiger.
Und darum bin ich überzeugt, dass Casa Jasmina ein so wichtiges Projekt ist.

Links

Bruce Sterling über die Casa Jasmina
Video: Introducing Casa Jasmina
Transmedia 2015
Casa Jasmina (this was at least my first encounter with the idea)

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Ethics for the Quantified Self
My socialist post-liberal techno-determinism

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Watch it happen

Ich habe ja eine bekannte Schwäche für die geheimnisvollen Entstehungsmechanismen offener Werke. Nun können wir dem aktuellen Beispiel gelebter Kollaboration Wikipedia beim Wachsen, Schrumpfen, Verfälscht-, Verbessert- und Verändertwerden live in die Karten und ihren zahllosen Autoren in Echtzeit über ihre Schultern schauen.

Das hübsche Modul entstand im Rahmen dieses Themenspecials der ZEIT. Anlass ist das 10jährige Jubiläum der Onlinenzyklopädie Wikipedia. Bei dieser Gelegenheit führt die ZEIT nicht nur vor, wie man mit einer ausgewogenen Komposition von digitalen, statischen und bewegten Medien überzeugt, sondern auch, wie schön und effektiv das Teilen ist: Jeder, der möchte, kann im Handumdrehen dieses Widget auf seiner eigenen Website einbinden.

Also seht her, meine Lieben, so etwas sieht man nicht alle Tage. Und, liebe ZEIT: Könntet ihr dasselbe auch für Open-Software-Code und Volksmärchen einrichten, bitte? Danke!

(Für den Hinweis danke ich Prof. Peter Haber, der sich wie ich auf der Wikipediaforschungskonferenz CPoV in Leipzig mit dem Thema befasst hat)