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Anathem

Neal Stephenson - AnathemKaum ein Roman scheint auf den ersten Blick so gut zum Thema Slow Media zu passen wie “Anathem” von Neal Stephenson.

Die Vorstellung einer gespaltenen Welt aus zwei Sphären: eine schnelle postmoderne tribale Kultur aus Sekten, Erweckungsbewegungen und Einkaufszentren sowie einer naturwissenschaftlich-monastischen (eigentlich: naturphilosophischen) Welt, die zurückgezogen in Klöstern lebt, sich mit esoterischen Themen wie der Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik befasst und deren Türen sich nur alle zehn bis zehntausend Jahre für einen Austausch mit der anderen Sphäre öffnen.

Die Inspiration durch die extreme Verlangsamung von Kunstwerken wie dem John-Cage-Orgelprojekt in Halberstadt oder der Long-Now-Foundation mit ihrer 10.000-Jahre-Uhr und den fünfstelligen Jahreszahlen – Willkommen im Jahr 02010! – liegt auf der Hand. Das Konzept ist also slow par excellence. Leider schießt Stephenson mit anderen Elementen über das Ziel hinaus: er hat seiner Welt – der Roman spielt auf dem ziemlich erdähnlichen Planeten Arbre – eine neue Sprache, Orth, gegeben, die zwar der englischen ähnlich ist, aber eben nicht ganz. Dementsprechend fällt das Glossar leider zu kurz aus, um wirklich slow zu sein, aber auch zu lang, um ignoriert zu werden. Die philosophischen und naturwissenschaftlichen Hintergründe sind, wie man es von Stephenson erwarten kann, sehr souverän eingeflochten, aber ich wühle mich dann doch lieber selbst durch Ockhams Sentenzenkommentar als durch die Orth-Variante mit dem neuen Namen “Gardan’s Steelyard“.